Öffentliches Wlan:Alle in einem Netz

Öffentliches Wlan: Rudolf Gleixner (rechts) teilt den Wlan-Router in seinem Druckerladen in Dachau mit jedem. "Internet ist ein Grundrecht", findet er.

Rudolf Gleixner (rechts) teilt den Wlan-Router in seinem Druckerladen in Dachau mit jedem. "Internet ist ein Grundrecht", findet er.

(Foto: Toni Heigl)

Drahtlose und kostenfreie Internetverbindungen werden Alltag: Nicht nur Kommunen, auch Privatleute stellenWlan öffentlich zur Verfügung. Ursprünglich wollten viele damit Flüchtlingen helfen, doch den Vorteil haben alle

Von Gregor Schiegl, Dachau

Die Nachbarin war anfangs beunruhigt. Immer wieder standen Fremde vorm Zaun, Araber und Afrikaner, immer das Handy am Ohr. Inzwischen weiß sie, dass die Flüchtlinge nur kommen, um zu telefonieren. Vor dem 3D-Druckerladen CRDrei an der Schleißheimer Straße in Dachau haben sie freien Internet-Zugang. Inhaber Rudolf Gleixner teilt seinen Router mit jedermann. Manchmal sind 20 Leute gleichzeitig bei ihm eingeloggt: Schüler, Nachbarn, aber meistens Flüchtlinge. Sie nutzen Internet-Dienste wie Skype, um mit den Verwandten zu Hause zu telefonieren. Manchmal winken sie Gleixner durchs Fenster und heben den Daumen. Oder sie kommen kurz rein und sagen "Thank you".

In München gibt es schon mehr als 1000 Internetknoten, in die sich jeder Nutzer kostenlos und ohne Beschränkung einklinken kann. Bereitgestellt werden sie von Mitgliedern des digitalen Projekts "Freifunk München". Zu ihnen gehören auch etwa 20 Dachauer. Einer von ihnen ist Rudolf Gleixner. "Mittlerweile ist Internet ein Grundrecht", sagt er. Und ginge es nach ihm, würde man überall freie Zugänge einrichten, wo Leute warten müssen: in Cafés, in Kanzleien, in Arztpraxen. 14 Freifunk-Knoten gibt es im Stadtgebiet Dachau inzwischen. Beteiligt sind auch Lokale, das Gasthaus "Drei Rosen", das "Luja" in der Frühlingsstraße oder die Shisha-Bar "One Lounge" am Karlsberg. Am intensivsten genutzt werden aber die Spots an der Sudetenlandstraße auf Höhe der Carl-Thiemann-Anlage und vor Gleixners Laden.

In der Fläche ist Freifunk bislang noch ein Randphänomen. "Im Landkreis schaut es ziemlich dunkel aus", räumt der Unternehmer ein. "Dachau ist der einzige Leuchtturm." Ihn selbst kostet sein Beitrag für eine freie Informationsgesellschaft nicht viel. 20 Euro monatlich für die Flatrate, das ist alles. Den Router hätte er sich sowieso angeschafft, sagt er, weil er ab und an auch PCs repariere. "Wenn da einer mit Viren verseucht ist, will ich den lieber nicht übers Firmennetzwerk laufen lassen."

Freifunker wurde Gleixner durch die Flüchtlinge. Er überlegte, wie er sie unterstützen könnte, so kam er auf das freie Wlan. Und mit ihm viele andere. Von den mehr als 1000 kostenlosen Knoten in München gab es vor einem halben Jahr noch nicht mal die Hälfte. Ohne Flüchtlinge hätte heute weder der Münchner Hauptbahnhof noch die Bayernkaserne freies Internet. "Die Flüchtlinge haben dem Freifunk Riesenauftrieb gegeben", sagt Gleixner. Davon profitieren auch die Einheimischen. "Hier in der Liegnitzer Straße aufwärts gibt es einige Leute, die in prekären Situationen leben", sagt Rudolf Gleixner. "Mein Wlan kennt keine Hautfarben, keine Rassen und Religionen." Jeder darf surfen.

Auch einige Kommunen im Landkreis bieten ihren Bürgern inzwischen kostenlose Internet-Nutzung an. "Es gehört für mich zum Grundverständnis, den Bürgern zumindest im Rathaus Zugang zu freiem Wlan anzubieten", sagt Hebertshausens Bürgermeister Richard Reischl (CSU). Und praktisch sei es ja auch: Vieles, was früher mit Papierkram erledigt wurde, gehe jetzt online. Im neuen Schuljahr will Reischl auch freies Wlan an der Schule einführen. Auch das Rathaus Karlsfeld verfügt seit einem halben Jahr über freies Wlan - allerdings zeitlich begrenzt. "Wir wollen kein Angebot für Dauernutzer machen", sagt Wilfried Kast, EDV-Experte im Rathaus.

In der Dachauer Altstadt rund ums Rathaus und den Schrannenplatz, am Freigelände des Familienbades sowie in der Stadtbücherei kann man für eine halbe Stunde ebenfalls kostenlos surfen. Oder einen ganzen Tag lang für 99 Cent. Das Angebot werde gut angenommen, berichtet Jürgen Schmidt von den Stadtwerken. Zu Spitzenzeiten gebe 1800 Nutzer gleichzeitig. Besonders gefragt sei das Wlan zu Volksfestzeiten, aber auch am Christkindlmarkt. Einen direkten Nutzen zieht die Stadt nicht aus ihrem Service. "Das ist einfach nur gut fürs Image", sagt Schmidt.

In kleineren Gemeinden wie Weichs ist freies Internet kein Thema. "Wir sind ja keine Tourismusgemeinde", sagt der Geschäftsführer im Rathaus, Werner Kerzel. Auch das Wlan, das die Gemeinde im Containerdorf für Flüchtlinge installiert hat, ist nicht umsonst. Fünf Euro kostet das Monatsticket. "Die Leute denken, was nichts kostet, ist auch nichts wert", sagt Kerzel.

Gleixner kann über die Angebote der Kommunen nur den Kopf schütteln. "Das ist doch alles viel zu umständlich." Aus Haftungsgründen müssen die Nutzer dort erst Geschäftsbedingungen zustimmen oder ihre IP-Adresse hinterlegen. Bei Gleixner können sie sofort loslegen. Rechtliche Probleme fürchtet der Internet-Aktivist nicht: Bei den Freifunkern wird der Datenverkehr verschlüsselt übers Ausland geleitet.

Informationen zum Freifunk und zu Standorten mit kostenlosen Internetknoten gibt es auf ffmuc.net.

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