Für Interviews und Gespräche hat Michael Teuber dieser Tage nur wenig Zeit. Der Tagesablauf des fünffachen Paralympics-Gewinners ist kurz vor dem Beginn der Spiele in Paris bis ins letzte Detail durchgeplant. Alles folgt einer genauen Struktur: Eine Woche Regeneration, ein Kurztrip übers Wochenende, anschließend noch mal drei Wochen ins Höhenstrainingslager. Teuber überlässt in der Vorbereitung nichts dem Zufall. Denn: Bei seinem Hauptwettkampf am 4. September will der 56-jährige Odelzhausener bereit sein – und im Idealfall noch einmal eine Medaille mit nach Hause nehmen.
Das er überhaupt nach Frankreich fahren kann, ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass es noch im Frühling kurz so aussah, als müssten die Paralympics in diesem Jahr ohne Teuber stattfinden: Am 5. März kollidierte er bei einem Trainingsunfall auf Lanzarote mit einer Geschwindigkeit von über 50 Kilometern pro Stunde mit einem Auto, das trotz durchgezogener Verkehrslinie am rechten Fahrbahnrand unvermittelt zu wenden begonnen hatte.
Teuber schlug in das Auto ein und wurde anschließend mehrere Meter weit durch die Luft geschleudert. „Im Nachhinein betrachtet, hatte ich Glück, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist“, erzählt Teuber, dem wohl damals nur ein Helm das Leben gerettet hat. Er brach sich allerdings den sechsten Brustwirbel, mehrere Rippen und erlitt einen offenen Schlüsselbeinbruch. „Der Knochen stand heraus“, so Teuber. Wegen eines diagnostizierten Pneumothorax konnte er zudem erst nach 13 Tagen ausgeflogen und in München operiert werden. Dort angekommen musste er wegen hoher Infektionsgefahr noch mehrere Tage stationär behandelt werden.
Insbesondere mental seien die Tage nach dem Unfall eine erhebliche Belastung für ihn gewesen, sagt Teuber. Doch lange Zeit mit Nachdenken hat der 56-jährige Vater einer Tochter nicht verbracht. „Ich wollte so schnell wie möglich wieder mit dem Training anfangen“, erzählt er. Trotz Schmerzen und Beeinträchtigungen der Beweglichkeit saß Teuber deshalb bereits eine Woche nach Entlassung aus der Klinik wieder auf dem Fahrrad und begleitete seine Mannschaft, die er als Trainer betreut, ins Trainingslager nach Mallorca. Und nur acht Wochen nach seinem schweren Unfall fuhr er im belgischen Ostende sein erstes Einzelrennen. „Da bin ich Zweiter geworden“, sagt Teuber. Dass sein Rücken zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vollständig ausgeheilt war, erwähnt er nur in einem Nebensatz.
Sich trotz Rückschlägen die Zuversicht zu bewahren – das hat Teuber bereits bei seinem Autounfall 1987 eindrucksvoll bewiesen. Nach dem wohl einschneidendsten Ereignis seines Lebens wurde ihm im Alter von 19 Jahren eine inkomplette Querschnittslähmung im Bereich der Lendenwirbelsäule diagnostiziert. Seitdem ist Teuber unterhalb der Kniegelenke gelähmt. Für den damals jungen Abiturienten, das Leben noch vor sich, ein schwerer Schock.
Schon sieben Mal ist Teuber bei den Paralympics angetreten
Doch in der Unfallklinik Murnau sei schon früh klar gewesen, dass sich der Odelzhausener mit seinem Schicksal nicht zufriedengibt. Das hätten auch die Ärztinnen und Ärzte schnell erkannt. „Sie haben gesehen, das ist ein Patient, der heraussticht und mehr will“, erinnert sich Teuber. Da das Rückenmark nicht komplett durchtrennt war, konzentrierte sich Teuber in der Folge darauf, die verbliebenen Restfunktionen seiner Muskeln zu stimulieren und zu belasten. Mit Schienen konnte er schon bald eigenständig laufen. „Ich habe aus dem, was im Rückenmark vorhanden war, das Maximum rausgeholt.“
1989 – nur zwei Jahre nach seinem schweren Autounfall – begann er dann mit dem Radsport. Erst mit dem Mountainbiken, später stieg er aus Rennrad um. Es sollte der Anfang einer beispiellosen Sportlerkarriere werden: 1998 wurde Teuber für die Paralympischen Weltmeisterschaften nominiert, wo er sich sofort zwei Goldmedaillen sichern konnte. Siebenmal nahm er seitdem an den „Sommer-Paralympics“ teil, fünfmal gewann er dabei Gold. 2018 stellte er darüber hinaus den bis heute gültigen Stundenweltrekord in der Para-Cycling-Klasse C1 auf.
„Ich will um die Medaillen kämpfen“
Trotzdem ist es Teuber, der inzwischen zu den erfolgreichsten Para-Radsportlern Deutschlands gehört, wichtig zu betonen: „Eine Wunderheilung gibt es nicht.“ Vielmehr seien Disziplin sowie langfristige Ziele für ihn wichtig gewesen. „Es ist in meiner Persönlichkeit verankert. Ich konnte mir schon immer langfristige Ziele setzen.“
Für die bevorstehenden Sommer-Paralympics in Paris hat sich der Odelzhausener viel vorgenommen: „Mein Ziel ist das, was ich kann, auf die Straße zu bringen“, so Teuber. „Ich will um die Medaillen kämpfen.“ Die verbleibende Zeit bis zum Wettkampf will der 56-Jährige deshalb noch gut nutzen. Dafür geht er nicht selten auch über die eigene Schmerzgrenze hinaus: „Entweder du erträgst die Schmerzen im Training oder den Schmerz der Enttäuschung.“ Wofür sich Michael Teuber entscheidet, ist für ihn zeit seines Lebens immer klar gewesen.