Nach der Corona-Zwangspause:Das Kulturwunder

Lesezeit: 4 min

Im Februar 2020, kurz vor der Corona-Pandemie, trat im Schlossgut Sulzemoos das Trio Die Abenteurer auf. Philipp Sterzer (Flöte) Mulo Francel (Saxophon) Andreas Binder (Waldhorn) auf. In diesem Jahr sind sie wieder dabei. (Foto: Toni Heigl)

Im dritten Jahr der Pandemie hat Kult A 8 wieder ein spannendes Jahresprogramm organisiert. Die Vereinigung, die inzwischen seit zwölf Jahren besteht, bringt nach der Zwangspause Schwung in das kulturelle Leben in den Gemeinden Odelzhausen, Sulzemoos und Bergkirchen.

Von Helmut Zeller, Odelzhausen

Wer denkt schon, wenn er noch schlafverhangenen Blicks sein Frühstücksei löffelt, daran, was da eigentlich auf dem Tisch vor ihm steht: "Das Ei ist eine geschissene Gottesgabe." Mit diesem Spruch hat sich Altbäuerin Sophie Geisberger aus dem Tölzer Land in dem gleichnamigen Kultfilm von 1997 unvergessen gemacht - und nebenbei klar gemacht, dass das Philosophieren keine Universitäten braucht, sondern auch auf einem Bauernhof mit schönem Erfolg möglich ist. Das Ei symbolisiert in vielen Mythen Fruchtbarkeit, Schöpfung und Transzendenz - am Anfang war das Ei, aus dem der ganze Kosmos kroch. Auf das Ei oder besser gesagt, das Ei-Wunder von Taxa, lässt sich auch eine besondere Vereinigung im Landkreis Dachau zurückführen: Kult A 8. Seit nunmehr zwölf Jahren bietet eine Gruppe von drei Enthusiasten eine Vielzahl von Konzerten, Lesungen und Theateraufführungen, die das kulturelle Leben im Dachauer Land nicht nur bereichern, sondern über die Landkreisgrenzen hinaus erstrahlen lassen. Im dritten Corona-Jahr legt Kult A 8 nach langer Zwangspause wieder ein spannendes Jahresprogramm vor.

Aber zuvor muss noch rasch erklärt werden, was der Kulturverein mit dem Ei-Wunder von Taxa zu tun hat. Im Jahr 1606 soll der Legende zufolge der Odelzhausener Hofmarksherr Johann Wilhelm von Hundt bei einer Pilgerreise in Seenot geraten sein. Man kennt das ja von sich selbst: In großer Not verspricht man Gott dem Herrn alles, vor allem, ein besserer, wohltätiger Mensch zu werden. So erging es auch von Hundt, der, als die Wellen über das Schiff hereinbrachen, ein Gelübde ablegte, im Falle seiner Rettung eine Kapelle zu Ehren der Muttergottes errichten zu wollen. Kaum aber hatte der gute Mann einen Fuß auf festem, trockenen Uferboden gesetzt vergaß er sein Gelübde.

Wie Kult A 8 aus dem Ei-Wunder entstand

Doch er hatte die Rechnung ohne die geschissene Gottesgabe gemacht. Zehn Jahre danach legte eine schwarze Henne auf seinem Gutshof am Ostermontag ein Stern-Ei. Da geriet das ganze Volk aus dem Häuschen, gab es doch solche Eier nicht, und so wurde der Sternenkranz auf der Schale dem wundertätigen Eingreifen der Muttergottes zugeschrieben. Von Hundt ließ flugs die Kapelle errichten, es entstand ein weithin gekannter Wallfahrtsort, 1654 eine Wallfahrtskirche und schließlich ein Augustinerkloster, das im Jahr 1802, zu Beginn der Säkularisation, aufgelöst wurde - allerdings gegen den Widerstand der Bevölkerung, der die Welt außerhalb der geistigen Bevormundung durch die Kirche eher Furcht und Angst machte.

Zeitsprung ins Jahr 2010. Ursula Kohn, heute Kreisrätin der Grünen, wurde bei einer Kräuterführung auf den erbärmlichen Zustand der Kapelle zum Ei-Wunder angesprochen. Und Kohn nahm sich der Sache an, weil sie Geschichte und Brauchtum ihres Heimatorts für erhaltenswert hält. Darüber, erzählt Kohn, bekam sie Kontakt und Zuspruch von Künstlern und anderen Persönlichkeiten des Kulturlebens im Dachauer Land, etwa von dem heutigen Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler. Kohn organisierte zwei Veranstaltungen zur Unterstützung der Kapellensanierung - und daraus entstand letztlich Kult A 8. Und vor allem: Sie fand zwei wunderbare Partner, Paul Schmid, ehemals stellvertretender Bürgermeister von Sulzemoos, und Edith Daschner, frühere stellvertretende Bürgermeisterin von Bergkirchen.

Das Trio organisiert nun seit zwölf Jahren schon - ehrenamtlich - kulturelle Veranstaltungen auf hohem Niveau. Es ging ihnen darum, in dem Dreieck Bergkirchen, Sulzemoos und Odelzhausen regelmäßig kulturelle Veranstaltungen zu organisieren. Die A 8 ist die Verbindung und Lebensader zwischen den beteiligten Gemeinden und war daher namensstiftend für den Zusammenschluss, der neue Wege zur Kultur beschritten hat. Wie allen hat ihnen die Corona-Pandemie geschadet. Aber im dritten Jahr der Seuche wollte Kult A 8 nun endlich - und die politischen Rahmenbedingungen scheinen es zu erlauben - ein volles Programm anbieten. Auch deshalb, wie Ursula Kohn sagt, um den bisher treuen Mitwirkenden nach der zwangsweisen Isolation wieder eine Bühne zu geben.

Es beginnt mit einem Paukenschlag

Es beginnt mit einem Paukenschlag. Aber warum den Kreisler? Na, weil er halt so gut passt. Der sprachgewaltige Grandseigneur des schwarzen Chansons, der Autor von Texten oft auch apokalyptischen Zuschnitts, passt eigentlich immer, solange die Welt so ist, wie sie eben ist, gerade jetzt, in Zeiten der Pandemie, des Krieges in der Ukraine und der fortschreitenden Erderwärmung - das Klima ist eh schon hinüber. Da mag sich das Kult A8-Team gedacht haben: John Lennons "Imagine", der Protestsong gegen den Vietnamkrieg von 1971, würde zwar die Herzen der Zuhörer erwärmen, wirkte aber vielleicht doch etwas lau angesichts des realen Schreckens. Da braucht es schon einen wie den österreichischen Schriftsteller, Kabarettisten und Komponisten Georg Kreisler (1922-2011), der nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen zynisch-makabren "Liedern zum Fürchten" berühmt wurde. Den Deutschen und Österreichern, im Judenhass ein einig Volk geworden, war der Wiener Jude gerade noch in die USA entkommen.

Die Begegnung mit Georg Kreisler in den Gewölben der Malztenne der Schlossbrauerei Odelzhausen am Sonntag, 10. April, steht unter dem Motto: "Nachdenken nützt nichts, fantasieren muss man." Die Mezzo-Sopranistin Ilona Wolf mit ihrer Pianistin Sabine Joß bringt dem Publikum Kreisler so nah, wie es nur irgendwie geht. Ilona Wolf, klassisch ausgebildet und lange Jahre im Stuttgarter Opernchor engagiert, liebt das Chanson seit Studientagen. Besonders bei Stücken von Georg Kreisler können sie und ihre kongeniale Partnerin Joß, sich so richtig ausleben. Da gibt es ein Tigerfest, da werden Blumen gegossen und es wird Tango getanzt. Herrliche Weiber werden besungen, Männer verlassen und Frauen um die Ecke gebracht. Es dürfen Orchestermusiker ihre Stimme erheben und das alles wird kritisch, liebevoll, böse und skurril auf den Punkt gebracht, wie man es von Georg Kreisler kennt.

Jedes Stück erzählt eine Geschichte

Zum Auftakt des Jahresprogramms von Kult A8 also gleich mal ein Höhepunkt. Das erinnert an die Regieanweisung in den Hollywood-Studios der 30er und 40er Jahre: Mit einem Erdbeben beginnen und dann langsam steigern. Ganz so läuft es nicht. Aber das Niveau wird gehalten - in diesem Jahr und seit 2010. Das Blechbläserquintett Harmonic Brass spielt in der Pfarrkirche St. Benedikt Odelzhausen. Die Mitglieder haben ihre persönlichen Lieblingsstücke zusammengestellt. Jedes Werk erzählt eine Geschichte, und sie verschmelzen zu einem klingenden Panoptikum der Harmonic Brass-Vergangenheit. Mit diesen Stücken fuhr die Band zum ersten Mal in weit entfernte Länder. Dann: "Exsultate jubilate", das Konzert am Pfingstmontag mit Janet Bens und Petra Morper in der Pfarrkirche St. Johann Baptist in Bergkirchen - das nachgeholte zehnjährige Jubiläum des "Konzerts am Pfingstmontag". Dieses jubelnde Werk soll nun, zusammen mit weiteren Werken aus dem Barock und anderen Epochen, erneut zur Aufführung kommen.

Kohn kann sich, wie sie sagt, nicht entscheiden. Jede Veranstaltung liegt ihr am Herzen, ist für sie ein Höhepunkt im Kulturjahr von Kult A 8. Zum Beispiel das Sommerfestival: Am ersten Konzertabend, am 23. Juni, spielt das Ricardo Volkert & Ensemble und anschließend Quadro Nuevo im Schlossgut Sulzemoos. Am zweiten Abend, 24. Juni, treten auf Gitanes Blondes und Harmonic Brass - und viele andere folgen. Aus dem Ei-Wunder ist ein Kulturwunder geworden.

Weitere Veranstaltungen, Termine, Eintrittspreise auf der Website von Kult A 8: www.kult-a8.de .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUkrainisch-Übersetzerin in Dachau
:Die Krux mit dem Kornkrusti

Für Geflüchtete aus der Ukraine sind sie derzeit wichtige Stützen: ehrenamtliche Übersetzer. Irina Führer, die vor 16 Jahren von Donezk nach Indersdorf zog, ist eine von ihnen. Über eine, die angekommen ist - und jetzt anderen dabei hilft.

Von Jessica Schober

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: