Obsternte in Dachau:Nur Fruchtzwerge

Die Obstbauern im Landkreis Dachau verzweifeln: Nässe, zu wenige Bienen und Pflanzenkrankheiten schmälern die Ernte um bis zu 90 Prozent.

Astrid Zehbe

Rudolf Samenfink kann sich nicht beklagen. Der leidenschaftliche Hobbygärtner steht vor einem seiner Apfelbäume, dessen Äste durch mehrere Stangen gestützt werden müssen. Unter der Last der vielen Äpfel würden sie ansonsten womöglich abbrechen.

Obsternte in Dachau: Heuer gibt es zwar wesentlich weniger Äpfel als sonst. Und trotzdem verkauft Anton Winter, Gärtner im Schlossgarten Dachau, den Rest der Ernte.

Heuer gibt es zwar wesentlich weniger Äpfel als sonst. Und trotzdem verkauft Anton Winter, Gärtner im Schlossgarten Dachau, den Rest der Ernte.

(Foto: Toni Heigl)

"An einem anderen Baum musste ich sogar Äste abscheiden, weil sie zu schwer geworden sind", erzählt der Dachauer. Von den schlechten Obsternten anderswo im Landkreis in diesem Jahr spürt er nichts.

Dabei sieht es bei der Obsternte dieses Jahr ziemlich düster aus. "Vor allem bei Süßkirschen und Birnen, aber auch zahlreichen Apfelsorten haben wir in diesem Jahr erhebliche Missernten zu beklagen", sagt Siegfried Lex, Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege am Landratsamt Dachau. Er ist für die Fragen der Bürger zum Thema Garten in beratender Funktion tätig.

Gemeinsam mit Frank Großhans von der Abteilung Stadtgrün und Umwelt sowie dem Vorsitzenden des Obst- und Gartbauvereins Dachau, Lothar Anders, läuft er durch das kniehohe Gras einer Streuobstwiese der Stadt Dachau und begutachtet die vielen fruchtlosen und teilweise blattleeren Bäume.

"Eigentlich müssten die jetzt voller Äpfel sein, aber wie man sieht, tragen die meisten der Bäume fast nichts", sagt Frank Großhans, dessen Abteilung für die Bewirtschaftung der städtischen Streuobstwiesen zuständig ist.

Dabei sind Apfelbäume noch relativ gut bestückt. Zwar schätzen die Experten die Ernteausfälle auch hier auf etwa 40 Prozent, aber mit Ausfällen von bis zu 90 Prozent sei die Kirsch- und Birnenernte viel stärker betroffen.

Verregneter Mai - ein Problem für die Insekten

"Die Birnenernte ist vor allem deswegen so schlecht, weil ihre Blütezeit Anfang Mai völlig verregnet und kühl war", erklärt Siegfried Lex. Dies sei zwar nicht unbedingt ein Problem für die Bäume, aber sehr wohl für die bestäubenden Insekten.

"Bienen sind die wichtigsten Bestäuber in der Natur, aber sie fliegen nicht bei Temperaturen unter zehn Grad", führt Lex fort. "Wenn dann für mehrere Tage die Temperaturen so niedrig sind, kann das für die Pflanzen, die in dieser Zeit blühen, fatal sein, denn ohne Befruchtung keine Früchte."

Genau hier schließt sich ein weiteres Problem an, welches für Obstbauern in Zukunft immer schwerwiegender werden könnte: Die Anzahl der Bestäuber geht zurück, vor allem der Bienen, die für etwa 80 Prozent aller Bestäubungen verantwortlich sind.

"Vor 25 Jahren hatten wir im Landkreis noch 3000 Bienenvölker", erzählt Walter Niedermeier, vom Kreisimkerverein Dachau. "Mittlerweile sind es nur noch 1200". Dabei steige das Interesse an der Imkerei im Landkreis wieder an, freut sich Niedermeier.

Während die Imker jedoch früher 15 bis 20 Völker besaßen, sind es heute nur noch drei bis fünf, so dass zwar die Zahl der Hobbyimker steigt, die Zahl der Bienen aber insgesamt sinkt.

"Der positive Effekt dieser Entwicklung ist immerhin, dass wir durch die vielen kleinen Imker eine recht gute Flächendeckung mit Bienen erreicht haben", erklärt Niedermeier. Nur so lasse sich momentan überhaupt eine vollständige Befruchtung aller Bäume sicherstellen.

Wetterextreme schaden Bäumen

Zwar tragen auch andere Insekten wie Hummeln oder Käfer dazu bei, dass Pollen von Blüte zu Blüte getragen werden, doch reicht dies bei weitem nicht aus. "Bienen sind außerdem die einzigen staatenbildenden Befruchter.

Sie überwintern mit 10.000 bis 20.000 Tieren", so der Imker. Wenn der Winter vorüber sei, können sie direkt losfliegen und zur Befruchtung beitragen während bei Hummeln zum Beispiel erst einmal die Nestsuche beginne.

Aber auch wenn die Bäume befruchtet wurden, kann das Wetter der Ernte immer noch einen Strich durch die Rechnung machen. In diesem Jahr traf auf den kühlen und verregneten Mai ein heißer Juli.

"Das sind solche Extreme, die den Bäumen nicht gut tun", sagt Siegfried Lex. Die Folge könne sein, dass das Obst unreif vom Baum fällt und der Wasserhaushalt der Bäume durcheinander gerät. "Das ist dieses Jahr passiert. Wir hatten ja im Juli auch nachts oft Temperaturen über 20 Grad."

Neben wetterbedingten Ernteausfällen und zu wenigen Bestäubern macht Obstbauern ein dritter Faktor zu schaffen: Pflanzenkrankheiten. Auf der Streuobstwiese, die Siegfried Lex, Lothar Anders und Frank Großhans begutachten, sind auch etliche der Bäume vom Feuerbrand befallen, einer Bakterienerkrankung, die vor allem bei Kernobstsorten auftritt.

Zwar scheinen die Bäume auf den ersten Blick intakt, bei genauerem Hinsehen sind jedoch frühzeitig gewelkte Blätter zu erkennen. "Mit dem Klimawandel kommen auch verstärkt Pflanzenkrankheiten auf, die wir früher gar nicht kannten. Die Bakterienerkrankungen lieben feucht-warmes Klima, was wir hier immer öfters haben", erzählt Siegfried Lex.

"Ein bisschen Pech hatte ich auch"

Der Gartenbauingenieur empfiehlt Gärtnern, die einen solchen Krankheitsbefall an ihren Bäumen feststellen, die entsprechenden Stellen schnellstmöglich zurückzuschneiden, so dass sich die Bakterien, die von Insekten übertragen werden, sich nicht auf den ganzen Baum ausbreiten. Lex: "Ganz wichtig ist es, die weggeschnittenen Äste und Blätter zu verbrennen oder mit Brandkalk zu kompostieren."

Hobbygärtner Rudolf Samenfink schneidet seine Bäume regelmäßig zurück. "Die Bäume zu pflegen und zu schneiden, ist sehr wichtig. Hobbygärtner mit einer übersichtlichen Zahl an Bäumen haben es da natürlich etwas einfacher", sagt Lex.

Die beiden Männer stehen in Samenfinks Garten, in dem etwa 15 Apfelbäumen allen Widrigkeiten zum Trotz voller Früchte wachsen. Einzig der Birnenbaum trägt nur wenig. "Ein bisschen Pech hatte ich also auch", resümiert Samenfink.

Eine der wenigen Birnen am Baum hat eine Hornisse bereits zu Hälfte ausgefressen. "Die gönne ich ihr", lacht Samenfink. Schließlich seien Hornissen für Gärtner ja nützliche Tiere.

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