Notruf:Keine Hilfe unter dieser Nummer

Ein 17-Jähriger erfährt von der Selbstmordabsicht einer Schulkameradin, doch die Polizei nimmt seinen Notruf nicht ernst.

Von Julian Erbersdobler

NOTRUFDISPLAY auf dem Handy

Notruf-Display auf dem Handy. (Symbolbild)

(Foto: AP)

An den Freitag, 14. Februar, den Valentinstag, denkt ein 17-Jähriger aus dem Landkreis Dachau nur ungern zurück: Noch nach der letzten Schulstunde freut sich der Schüler auf das anstehende Wochenende. Gegen halb drei Uhr klickt er sich durch sein Facebook-Postfach. Eine neue Nachricht: Sie stammt von einer Schulkameradin, die offensichtlich mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen.

Schon in der Schule war sie ihm aufgefallen. Sie hatte nach der Zeugnisvergabe geweint und befürchtete eine Bestrafung wegen der schlechten Noten. Er greift zum Handy und wählt die 110, den Polizeinotruf. Am anderen Ende der Leitung fragt ihn ein Beamter anschließend nach seinem Alter. Nachdem er bestätigt, 17 Jahre alt zu sein, empfiehlt ihm der Polizist, mit "Mama und Papa darüber zu sprechen". Der junge Mann sagt der SZ: "Ich wurde nicht ernst genommen, und was noch viel schlimmer ist: Es stand ein Menschenleben auf dem Spiel." Der Vorwurf richtet sich gegen einen Beamten des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord in Ingolstadt. Hier gehen pro Tag etwa 700 bis 800 Notrufe ein. So auch am 14. Februar, um 14.36 Uhr, als der 17-Jährige von den Suizidabsichten seiner Schulfreundin berichtete.

Der Sprecher des Polizeipräsidiums, Hans-Peter Kammerer, räumt auf Nachfrage der SZ ein, dass der Vorgang "aus unserer Sicht nicht optimal bearbeitet worden ist". Zwar sei in dem einminütigen Telefongespräch nicht von einer konkreten Gefahrensituation die Rede gewesen. Aber das Polizeipräsidium könne mit dem Gesprächsverlauf und der Bearbeitung des Falls in dieser Form nicht zufrieden sein. Kammerer kündigt an, dass der Vorfall "in den nächsten Tagen intern nachbereitet" werde. "Mit dem zuständigen Beamten werden wir ebenfalls sprechen."

Der junge Dachauer hatte sich für das Schicksal des Mädchens verantwortlich gefühlt. Denn er ist Klassensprecher. Zunächst habe er versucht, seiner Klassenkameradin die Suizidgedanken auszutreiben, erzählt er. Vergeblich. Das Mädchen hielt im Chat an ihren Plänen fest. Glücklicherweise setzte es seine Absicht nicht in die Tat um.

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