Süddeutsche Zeitung

Notfall-Unterbringung:Bekenntnis zur Menschenwürde

Petershausener Gemeinderat lehnt den Antrag von Kollbacher Bürgern ab, in ihrem Ortsteil keine Obdachlosen in Containern unterzubringen. Die Optionen für Unterkünfte sollen nicht eingeschränkt werden

Von Petra Schafflik, Petershausen

Menschen ohne Obdach wird die Gemeinde weiterhin in jedem Ortsteil von Petershausen unterbringen können. Auch auf einem Gemeindegrundstück in Kollbach dürfen somit bei Bedarf kurzfristig Wohncontainer installiert werden. Denn ein im Juli eingereichter Bürgerantrag, mit dem sich Anwohner aus Kollbach gegen Obdachlosen-Container in ihrem Ort zur Wehr gesetzt hatten, wurde im Gemeinderat am Donnerstag mehrheitlich abgelehnt. Die Bürger wollten erreichen, dass zur Notfall-Unterbringung angekaufte Wohncontainer nur in Petershausen selbst, aber nicht in Kollbach oder anderen Ortsteilen aufgestellt werden.

Eingereicht hatten den Antrag die drei CSU-Gemeinderäte Josef Gerer, Hildegard Weßner und Albert Kirmair, ausdrücklich nicht als Kommunalpolitiker, "sondern als Bürger", wie Kirmair betonte. Allerdings unterstützten im Gremium dann fünf CSU-Räte wie auch Inge Dinauer (parteilos) das Anliegen der Kollbacher. Die deutliche Mehrheit von SPD und Freien Wählern folgte aber Bürgermeister Marcel Fath (FW). Der hatte in ungewohnt deutlichen Worten aufgerufen, den Antrag abzulehnen. Angesichts der aktuellen Wohnungsnot dürften die sowieso schon begrenzten Optionen der Gemeinde für Obdachlosenunterkünfte nicht noch eingeschränkt werden. Auch gehe es "als Allererstes darum, Menschen unterzubringen - egal, warum sie obdachlos sind, woher sie kommen und wer sie sind."

"Wer obdachlos ist, ist nicht immobil"

Der Unmut der Kollbacher scheint sich gelegt zu haben. Jedenfalls verfolgten nicht mehr so viele Bürger wie noch im Juni die Diskussion im Sitzungssaal. Auslöser für die Bürgerproteste waren die Pläne der Gemeinde, in Kollbach einen Wohncontainer für Obdachlose aufzustellen. Diese provisorische Notunterkunft sollte im Garten eines gemeindeeigenen Häuschens platziert werden, in dem bereits Bürger ohne eigene Wohnung leben. Doch in dem kleinen Ort fehle die Infrastruktur, finden die 186 Kollbacher, die den Antrag unterzeichnet haben. Viel besser wären Menschen ohne Obdach zentral in Petershausen aufgehoben. Schon diese Begründung sei "fehlerhaft", erklärte Bürgermeister Marcel Fath. "Wer obdachlos ist, ist nicht immobil." Gerade Kollbach sei mit öffentlichem Nahverkehr und Radweg gut erschlossen. "Nicht alle Bewohner dort verfügen über ein Auto und können doch gut leben." Auch zeige das Beispiel anderer Kommunen, das durchaus dezentrale Standorte "gut laufen".

Grundsätzlich gehe ihm "der Tenor des Bürgerantrags zu weit", erklärte Josef Mittl (FW). Eine Beschränkung von Obdachlosenunterkünften auf Petershausen "würde die Gemeinde bei einer Pflichtaufgabe einschränken." Vermutlich werde es "immer Nachbarn geben, die mit einer Unterkunft nicht einverstanden sind." Allerdings gebe es kein Recht, "zu beantragen, dass bestimmte Leute da wohnen dürfen oder nicht", betonte Wolfgang Stadler (SPD). Der Bürgerantrag "grenzt an Menschenfeindlichkeit."

"Zentralisierung" der Obdachlosen

Ein Vorwurf, gegen den sich Hildegard Weßner (CSU) ausdrücklich verwahrte. Auslöser für den Bürgerantrag seien "Kommunikationsdefizite" gewesen, so Weßner, die das Ansinnen des Antrags weiter unterstützte. Günter Fuchs (CSU) erklärte, mit den zusätzlichen Wohncontainern neben dem Wohnhaus in Kollbach würde eine "Zentralisierung" der Obdachlosen im Dorf erfolgen. Allerdings leben die meisten Bürger ohne Obdach nach wie vor im Gemeindehaus in Petershausen. Inge Dinauer monierte die fehlende Baugenehmigung für den Wohncontainer. "In Kollbach ist so eine Unterkunft zulässig, dafür braucht es keinen Gemeinderatsbeschluss", betonte Rathauschef Fath.

Abseits von den Sachargumenten wurde auch noch einmal ganz grundsätzlich diskutiert. Denn im Juli hatten drei Gemeinderäte den Bürgerantrag als unzulässig abgelehnt. Eine Missachtung der Demokratie, monierte Albert Kirmair. "Das ist ein Bürgerrecht, das hat gar nichts mit dem Inhalt zu tun." Widerspruch kam von der SPD. "Der Antrag richtet sich gegen die Menschenwürde, deshalb ist er unzulässig", sagte Wolfgang Stadler. Auch Bernhard Franke betonte, "wenn Menschen verwehrt wird, ein Obdach zu bekommen, dann hat die Moral ein Übergewicht gegenüber der formalen Gemeindeordnung." Nach intensiver Debatte wurde mit einer Mehrheit von 14 Stimmen der Bürgerantrag im Rat schließlich abgelehnt. Mit Freien Wählern und SPD stimmten gegen den Bürgerantrag auch Daniel Lettmair (CSU) und Jürgen Junghans (parteilos).

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SZ vom 03.11.2017/lela
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