Neuverteilung:Pflege aus einer Hand

Bislang war das Landratsamt für die ambulante Betreuung zuständig, der Bezirk für die stationäre. Nun werden die Aufgaben in Oberbayern gebündelt. Die Hilfe soll dadurch schneller und unbürokratischer werden

Von Christiane Bracht

Dachau - Ein Sturz, ein Herzanfall oder, noch schlimmer, ein Schlaganfall und nichts ist mehr wie vorher. Langer Krankenhausaufenthalt, Reha und dann? Manche Senioren kommen mühsam wieder auf die Beine. Ein paar Hilfen im Alltag bleiben nötig, aber sie können weiterhin selbständig leben. Andere schaffen das nicht. Plötzlich geht es um die Frage: Pflegestufe eins oder zwei? Und: Ist ambulante Hilfe noch ausreichend oder muss man vielleicht doch von seiner lieb gewonnen Umgebung Abschied nehmen und ins Pflegeheim ziehen? Es sind schwierige Entscheidungen, die nicht nur einen großen Einschnitt im Leben des Betroffenen bedeuten, sie haben meist auch schwere finanzielle Konsequenzen und müssen meist recht schnell getroffen werden.

Neuverteilung: Der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU).

Der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU).

(Foto: Toni Heigl)

Um finanzielle Unterstützung zu bekommen, musste man sich je nach Entscheidung, entweder ans Landratsamt oder an den Bezirk Oberbayern wenden. Denn bei ambulanter Hilfe zahlte das Landratsamt, bei stationärer Aufnahme musste der Bezirk für die Kosten aufkommen. Das ändert sich nun. Der Bezirk übernimmt nun beide Bereiche. "Wir wollen, dass beides in eine Hand kommt", sagt Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU) am Montag in Dachau. "Wir wollen jedem beste Hilfe angedeihen lassen, unabhängig davon wer zahlt." Er deutete vorsichtig an, dass das in der Vergangenheit möglicherweise für die Betroffenen nicht immer optimal gelaufen sei. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Verlegung erst vom kommenden Jahr an. Doch der Landkreis Dachau hat sich dazu entschlossen, schon jetzt seine etwa 60 Fälle an den Bezirk abzugeben und ist damit, zusammen mit Fürstenfeldbruck, den Landkreisen Rosenheim und der Stadt Rosenheim einer der ersten, die den Schritt wagen.

"Für die Betroffenen ändert sich dadurch nichts", betont Mederer. Sie haben bereits einen Bescheid bekommen. "Ihre Vorberechnungen übernehmen wir. Es gibt einen Bestandsschutz. Geändert hat sich für sie lediglich der Briefkopf." Für den Landkreis hat sich dadurch jedoch einiges geändert: "Es ist eine deutliche Entlastung", sagt Landrat Stefan Löwl (CSU). Die Anträge hilfebedürftiger Senioren seien oft recht kompliziert und deshalb für die Sachbearbeiter mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden gewesen. Wenn nun der Bezirk die ambulante Hilfe übernehme, habe dieser ganz andere Möglichkeiten, Fachpersonal zu rekrutieren und die Fälle so zu beurteilen, wie es für die Betroffenen am besten ist, so Löwl. Außerdem müssten die Angehörigen nicht mehr lange forschen und abwägen, wer eigentlich zuständig ist. "Bei uns laufen nicht die Menschen, bei uns laufen die Akten", fasst Mederer zusammen.

Insgesamt wird der Bezirk Oberbayern Anfang 2019 etwa 5000 Menschen unterstützen, die ambulante Hilfen brauchen, um ihren Alltag meistern zu können. Nach derzeitigen Berechnungen kostet das etwa 60 Millionen Euro. Die 60 Fälle aus dem Landkreis Dachau haben den Kreishaushalt bislang übrigens mit einer knappen halben Million Euro belastet. Anders als man vermuten könnte, spart der Kreis durch die Übergabe der ambulanten Fälle voraussichtlich nichts. Denn nun wird die Bezirksumlage steigen. "Wir haben wieder eine halbe Million Euro eingeplant, denn wir sind ein durchschnittlicher Landkreis", erklärt Löwl.

Neuverteilung: Will ambulante Hilfe unbürokratischer machen: Bezirkstagspräsident Josef Mederer.

Will ambulante Hilfe unbürokratischer machen: Bezirkstagspräsident Josef Mederer.

(Foto: Toni Heigl)

Zum Vergleich: Die stationären Aufenthalte fallen finanziell deutlich mehr ins Gewicht: Etwa 400 Menschen aus dem Landkreis Dachau sind derzeit in Pflege- oder Behinderteneinrichtungen; das kostet den Bezirk 3,6 Millionen Euro.

Ziel der Verlagerung ist auch, eine Verbesserung des Angebots zu erzielen. "Es gibt viele tolle Leistungsangebote, aber die Vernetzung fehlt", sagt Mederer. Eine gute Kooperation hinzubekommen, wird eine der großen Aufgaben sein, die der Bezirk in naher Zukunft meistern will. Wer Hilfe braucht, soll bestmöglich beraten werden. Heute findet der Betroffene oft nur mit Mühe oder Glück einen Weg durch den "Angebotsdschungel". Das soll sich ändern. Künftig soll es auch in jedem Landkreis eine Telefonnummer geben, an die man sich wenden kann, wenn man Informationen braucht. Dort soll man weitergeleitet werden zur passenden Stelle. 60 neue Arbeitsplätze hat der Bezirk allein für die Verlagerung der ambulanten Hilfe ausgeschrieben, 40 davon sind Sachbearbeitungen. Trotz Fachkräftemangel seien sie bereits besetzt, so Mederer.

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