Neujahrsbotschaften:Mehr Mitgefühl

Kirchen und Glaubensgemeinschaften in Dachau haben ein gemeinsames Anliegen: Sie wollen eine offene Gesellschaft, die friedlich zusammenlebt und sich der Flüchtlinge annimmt

Von Andreas Förster, Dachau

Deutschland hat im Jahr 2015 große Veränderungen erlebt. Durch Krieg, Gewalt und Hunger sind viele Menschen aus dem nahen Osten und Afrika auch nach Dachau und in die Landkreisgemeinden gekommen und haben als Flüchtlinge und Asylsuchende ein Obdach erhalten. Ein Ende des Flüchtlingsstroms ist nicht abzusehen. Die Lage bleibt somit für Staat und Zivilgesellschaft herausfordernd. Für Dachaus Dekan Wolfgang Borm ist es daher nur "allzu menschlich, dass in dieser Situation Ängste hochkommen". Und doch dürften die Ängste den Menschen nicht beherrschen und zu Fremdenhass oder Ablehnung von Schutzbedürftigen verführen, sagt der Leiter des Pfarrverbands Dachau.

Borm wünscht den Bürgerinnen und Bürgern in und um Dachau eine positive Herzenseinstellung, geprägt von Wertschätzung und Warmherzigkeit. Damit steht der Dekan nicht allein. Weitere Pfarrerinnen und Pfarrer aus Dachau, die Sub-Priorin des Klosters Karmel, der Vorstand der Türkisch-Islamischen Gemeinde und der Vorsitzende der Buddhistischen Gruppe schließen sich diesem Wunsch an.

Der Pfarrer der Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau, Björn Mensing, wird dabei sogar ganz konkret: Er sehe die frohe Botschaft für das neue Jahr darin, "dass wir in und um Dachau Vorbilder für Solidarität mit verfolgten Menschen haben. Frauen und Männer, die sich über Parteigrenzen hinweg für eine sichere Zuflucht von Verfolgten einsetzen". Wie für die Familie Sahiti, die im Kosovo vom Islamischen Staat bedroht werde. Für Mensing stehen die Menschen, die hier humanitäre Hilfe leisten, in der Tradition von Familie Gailer in Niederroth. Diese habe von 1941 bis 1945 Hannelore Bach auf ihrem Hof versteckt, deren Vater 1938 im KZ Dachau litt und die wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt wurde.

Ulrike Markert, Pfarrerin der evangelischen Gnadenkirche, betont in ihrer Grußbotschaft, wie wichtig ihr in der politischen Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen, um europäische Kontingente, um Bleiberecht oder Abschiebung auch nach dem eigentlichen Fest noch die zeitlose Weihnachtsbotschaft sei: "Sie erinnert mich daran, dass Gott mir als Mensch begegnet. Schutzlos, ausgeliefert, bedroht. Gerade so will er die Welt verändern. . ." Das könne nur dort beginnen, wo Menschen sich diese Geschichte zu Herzen gehen lassen - und hinter jedem bedrohten Menschen das Kind in der Krippe von Bethlehem erahnen. Ihr Wunsch: Mehr Mitgefühl für Schutzbedürftige.

Schwester Johanna, Sub-Priorin des Klosters Karmel Heilig Blut, erinnert daran, dass jeder Mensch einen Traum habe von einer lebbaren Zukunft und die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben. Die Dachauer genauso wie die Menschen, die vor Krieg und anderen Nöten die Flucht ergreifen. Sie wünschten sich, auf Mitmenschen zu treffen, die sie wie Freunde aufnähmen. Die Karmelitin glaubt, in der oft als Flüchtlingskrise bezeichneten Situation einen Fingerzeig des Himmels zu erkennen, durch den die Menschen wieder mehr zueinanderfinden und vermeintliche Gegensätze überwinden lernen sollten.

Thomas Körner, Pfarrer der Friedenskirche, wünscht allen Bürgerinnen und Bürgern für das Jahr 2016, dass sie ihre ihnen innewohnenden Kräfte spüren und nutzen können, sowohl für sich als auch für andere Menschen. "Die Flüchtlinge, die vielfach aus Syrien gekommen sind, werden auch im neuen Jahr für uns eine Herausforderung darstellen", sagt Körner. Er sei froh und dankbar, dass sich so viele Dachauer helfend engagierten. "Die Geflüchteten haben wie wir psychische Widerstandskräfte in sich gespeichert", weiß Körner, und er wünsche ihnen, diese Kräfte abrufen und nutzen zu können, um ihre Traumata zu verarbeiten. So könnten sie, auch mit Hilfe der Dachauerinnen und Dachauer, in ihrem Exil in Deutschland besser zurechtkommen, bis sie in ihre Heimat Syrien zurückkehren, wenn dort irgendwann wieder Frieden herrsche.

Mustafa Denel, erster Vorstand der Türkisch-Islamischen Gemeinde Dachau, will, dass die Menschen in Dachau zusammenrücken. "Ich wünsche mir, dass wir durch die Hilfe für die schutzsuchenden Menschen mehr zusammenwachsen", erklärt er. Mustafa Denel sieht seine Gemeinde längst in der Pflicht. "Wir geben Deutschkurse für die minderjährigen Afghanen, die im Hotel Mantra wohnen", berichtet er. Aber es warteten noch größere Aufgaben, um ein friedliches und harmonisches Zusammenleben aller Kulturen zu ermöglichen, sagt Denel. Dafür wünsche er Christen und Muslimen, bei allen Unterschieden, den Blick für die Gemeinsamkeiten zu schärfen: den Wunsch nach Familie, Gesundheit, Bildung, Demokratie und Frieden.

Zu Neujahr senden Buddhisten positive Gedanken an alle fühlenden Wesen, indem sie sich als Gruppe treffen und gemeinsam meditieren, sagt Christian Ensel, der dem Buddhistischen Zentrum Dachau vorsteht. Bei diesen Treffen gebe man ein Versprechen ab, das sogenannte Bodhisattva-Verspreche". Darin stecke der Wunsch, allen zu helfen und sich bei künftigen Handlungen immer so zu entscheiden, dass es die Menschen zum Glück führt. Und für sie zu bitten, dass sie frei von Leid und der Ursache des Leids sein mögen.

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