Neues Kindergartenjahr:Gefährliches Halbwissen

Gift oder Schutz gegen Krankheiten? Beim Thema Impfen scheiden sich die Geister und das verunsichert viele Eltern

Von Jacqueline Lang, Dachau

Viele Eltern sind zunehmend verunsichert durch die teils sehr widersprüchlichen Informationen zum Thema Impfungen. Die einen verteufeln die Impfungen als pures Gift mit viel zu hohem Risiko, die anderen warnen davor, dass sich ohne Impfungen längst eingedämmt geglaubte Krankheiten wieder ausbreiten könnten.

Das neue Kindergartenjahr hat begonnen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Nachbarländern wie etwa Frankreich oder Italien gilt in Deutschland bislang keine Impflicht für sogenannte Kinderkrankheiten wie Masern, Mumps und Röteln. Eltern können nach wie vor selbst entscheiden, ob sie ihr Kind impfen lassen möchten oder nicht - und ihre Entscheidung darf keinerlei Einfluss auf die Vergabe eines Kindergartenplatzes haben. Doch sie müssen bis zum 1. September nachgewiesen haben, dass sie ein Beratungsgespräch wahrgenommen haben. Eine Möglichkeit sei ein unterschriebener Nachweis eines Arztes, eine andere Möglichkeit der ausgefüllte Impfpass des Kindes, erklärt eine Dachauer Kindergärtnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Fehlende Impfungen würden Risiken bergen, glaubt die Bayerische Familienministerin Kerstin Schreyer. "In einer Kindergrippe, einem Kindergarten oder einer Tagespflege ist die Ansteckungsgefahr hoch", sagt sie. Mit einer Impfung würden Eltern nicht nur die Gesundheit ihres Kindes schützen. "Sie leisten auch einen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Einrichtung insgesamt."

Die Masern-Fälle haben in diesem Jahr erneut bayernweit zugenommen. Allein bis Mitte August wurden 92 Fälle gemeldet. 2017 waren es im selben Zeitraum mit 40 Fällen weniger als die Hälfte. Deutlich besser ist die Bilanz im Landkreis Dachau: "Bei der aktuell vorliegenden statistischen Auswertung liegt unser Landkreis mit einer Impfrate von 96,5 Prozent für die erste Masernimpfung deutlich über dem angestrebten Ziel von 95 Prozent", sagt Hans Bergemann vom Gesundheitsamt. Die Impfrate für die zweite Masernimpfung sei mit 91,5 Prozent zwar noch zu niedrig, erfreulicherweise aber dennoch mit ansteigender Tendenz, sagt Bergemann.

Das Gesundheitsamt führt die vorgeschriebene Beratung vor der Aufnahme in den Kindergarten durch, noch häufiger erfolgt die Beratung aber direkt bei den behandelnden Kinder- und Hausärzten. Als solche haben Birgit und Marcus Benz, die gemeinsam eine Praxis in der Schleißheimer Straße in Dachau leiten, ebenfalls keine Abnahme der Impfrate feststellen können. "Erfreulicherweise insbesondere nicht gegen Masern", sagt Benz. Oft sei der Eintritt in die Kita oder den Kindergarten für die Eltern Anlass, den Impfstatus ihres Kindes zu überprüfen. Die Anzahl der Eltern, die sich durch das Internet und die Medien verunsichern ließen oder von vorne herein gegen das Impfungen eingestellt sei, sei in Dachau weitestgehend stabil, so Benz' Einschätzung. Problematisch sei jedoch "die Verbreitung von Halbwissen, falsch interpretierten Daten oder Unwahrheiten", die bei Eltern, die verunsichert sind, auf fruchtbaren Boden fallen würden. "Angst ist kein guter Ratgeber."

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