Neue S-Bahn-Strecke:Fast reibungslos

Von kleineren Pannen abgesehen, hat sich der Verkehr auf der neuen S-Bahn-Strecke zwischen Dachau und Altomünster eingespielt. Kinder und Jugendliche sind schneller in der Schule, Berufspendler rascher am Arbeitsplatz. Bahnhofsuhren gehen noch nicht

Von Benjamin Emonts, Altomünster/Dachau

Die ältere Dame, die einen Rollkoffer hinter sich herzieht, schüttelt den Kopf, als sie die Bahn verlässt. Nicht etwa, weil die S2 von Altomünster mit fünf Minuten Verspätung am Dachauer Bahnhof ankommt. Vielmehr ärgert sich die Dame, dass sie irrtümlich im Zug sitzen geblieben war - in der Annahme, er würde direkt nach München weiterfahren. Doch das tat er nicht. Und ebenso wenig gab es eine Durchsage. Folglich sah die Dame, als sie darauf hingewiesen wurde, den Zug verlassen zu müssen, nur noch die Rücklichter des Anschlusszuges zum Ostbahnhof.

"In diesem Fall hat der Lokführer vergessen, den Knopf zu drücken. Deshalb kam keine Durchsage", klärt ein Sprecher der Deutschen Bahn auf. Kleinere Irrungen und Wirrungen kommen bei den Fahrgästen wohl gelegentlich noch vor, seit am vergangenen Sonntag die neue S-Bahnlinie zwischen Dachau und Altomünster in Betrieb genommen wurde. Klar, aller Anfang ist schwer. Dennoch sagt der Bahnsprecher: "Wir sind mit den ersten Tagen rundum zufrieden. Die Züge fahren zuverlässig und pünktlich - und unser Personal weiß, wo es langgeht." Ebenso zufrieden mit dem Beginn der neuen S-Bahn-Ära im Landkreis zeigt sich das Dachauer Landratsamt. Pressesprecher Wolfgang Reichelt sagt: "Bei uns sind bisher keinerlei Beschwerden eingegangen."

Bahnhof Altomünster, Donnerstagmorgen 6.50 Uhr. Es ist noch dunkel, der Bahnhof ziemlich menschenverlassen. Die S-Bahn des Typs ET 420 steht schon bereit. Während im Innern alles glänzt und neu riecht, lassen die Eisenbügel zum Türöffnen erahnen, dass der Zug schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Ein kleiner Junge namens Florian erklärt: "Das ist noch ein altes Modell, das aber noch in Top-Zustand ist. Warum also nicht?"

Florian und seine Freunde pendeln täglich mit der neuen S-Bahn nach Dachau zur Schule. Fachkundig stellen sie die Vorzüge der neuen S-Bahnlinie in den Vordergrund: "Man kommt pünktlich in der Schule an und wenn man mal einen Zug verpasst, fährt eine halbe Stunde später gleich der nächste." Der Linie A, die seit Sonntag Vergangenheit ist, trauern sie eigentlich nicht hinterher, nur: "Die Sitze waren bequemer. Und das Bummerl hat nie gestreikt."

Helmuth Senft, der werktags von Altomünster zu seinem Arbeitsplatz am Münchner Nordfriedhof fährt, hat die Inbetriebnahme der S-Bahn noch mehr herbeigesehnt als die Schüler. Während der Bauphase, als zwischen Altomünster und Dachau ausschließlich Busse verkehrten, war Senft aufs Auto umgestiegen, weil der Schienenersatzverkehr zu zeitaufwendig und umständlich gewesen sei. Doch jetzt hat sich für den Altomünsterer vieles zum Positiven gewendet: "Ich komme früher nach Hause und kann abends noch einkaufen gehen. Meine Lebensqualität hat sich durch die S-Bahn gesteigert." Senft muss dank der neuen S-Bahn, wenn überhaupt, nur noch einmal umsteigen, um an den Nordfriedhof zu gelangen. Und er spielt mit dem Gedanken, Silvester in diesem Jahr irgendwo in München zu feiern - die letzte S-Bahn von München nach Altomünster fährt in der Silvesternacht erst um halb zwei Uhr nachts; an Wochenenden sogar noch eine Stunde später. "Das ist gut, wenn man vom Feiern kommt", findet auch ein Jugendlicher.

Neue S-Bahn-Strecke: Gut angenommen wird die neue S2 Altomünster. Vor allem im Berufs- und Schülerverkehr herrscht in den Zügen drangvolle Enge.

Gut angenommen wird die neue S2 Altomünster. Vor allem im Berufs- und Schülerverkehr herrscht in den Zügen drangvolle Enge.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Als die S-Bahn den Bahnhof in Schwabhausen verlässt, ist der Zug so voll, dass viele stehen müssen. Klar wird jetzt auch, weshalb Landrat Stefan Löwl in seiner Festrede am Sonntag explizit auf die Bedeutung der neuen S-Bahnlinie für die Schülerbeförderung hingewiesen hat: Die Mehrzahl der Fahrgäste sind nämlich Schüler und Jugendliche. Fast alle von ihnen spielen mit ihren Smartphones. Entscheidend aber ist, dass sie jetzt reibungsloser und schneller zu ihren Schulen in Indersdorf, Weichs oder Dachau gelangen.

Alles wunderbar also? Nicht ganz. Der Sprecher der Bahn räumt freimütig ein, dass es an manchem Durchgangsbahnhof entlang der Strecke noch etwas hakt. Probleme etwa bereite weiterhin die Technik. Konkret blieben einzelne Schranken länger geschlossen, als sie eigentlich müssten. Der Bahnübergang in Niederroth blieb am Mittwochnachmittag deshalb für zwei Stunden geschlossen und der Verkehr wurde umgeleitet. Außerdem fehle es an einigen Bahnhöfen noch an der Feinjustierung. Vielerorts sind etwa die Treppen noch nicht begehbar, weil dies erst möglich sei, wenn die Beleuchtung an den Bahnsteigen überprüft ist. Die Uhren an den Bahnhöfen sind zwar montiert, laufen aber noch nicht. Und die provisorischen Holzgeländer müssen noch durch Metallgeländer ersetzt werden. Problematisch ist zudem die Verkehrssituation am Bahnübergang Dachau Stadt auf der Freisinger Straße, wo sich die Fahrzeuge zu Hauptverkehrszeiten teilweise Hunderte Meter lang stauen und die Wartezeiten dementsprechend sehr lang sind.

Die ältere Dame, die ihren Anschlusszug verpasst hatte, lachte wenige Minuten später bereits wieder. Sie ist froh, dass endlich der Bahnübergang in Schwabhausen wieder passierbar ist.

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