Neue KVD-Mitglieder stellen aus:Die trauen sich was

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Anna Lea Rosa Dietze und Andrej Auch geben mit einer gemeinsamen Ausstellung ihr Debüt bei der Künstlervereinigung Dachau. So verschieden ihre Ansätze sind, so sehr eint sie die Lust am Experimentieren. Das Ziel: mehr über sich und die Welt erfahren

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Am Donnerstag wollen sie die Tür eintreten, sinnbildlich. Am Montagnachmittag steht Andrej Auch noch barfuß in der KVD-Galerie in kurzer Sporthose, Farbflecken an den Händen, und zieht einen ersten Strich über die weiße Wand. Bis zur Vernissage soll dort ein großes Bild entstehen, mehrdimensional, vermutlich alles in Grau, genau festlegen möchte sich der 23-jährige Künstler noch nicht. "Hier anzukommen, sich etwas zu trauen, zu experimentieren", darum gehe es ihm und Anna Lea Rosa Dietze, den zwei neuen Mitgliedern der KVD, die mit dieser Ausstellung ihr Debüt für die Künstlergruppe geben. Unter dem selbstbewussten Motto "Kick in the Door", angelehnt den Hip-Hop-Song von The Notorious B.I.G.

"Das ist für uns auch ein erster Schritt raus aus der Akademie", erklärt Anna Dietze. Beide studieren in München an der Akademie der Bildenden Künste, Dietze interdisziplinäre Studien, ihr Kollege Auch Freie Kunst. Für die Ausstellung in der KVD kamen sie das erste Mal zusammen. Sie hätten aber schnell gemerkt, dass das ganz gut harmonieren könnte, sagen sie. Das Spiel amorpher Formen, das Experimentieren mit dem Material - ja, vielleicht lassen sich tatsächlich ein paar Gemeinsamkeiten finden. Schließlich treibt beide die Neugier an, durch den künstlerischen Prozess etwas zu erforschen, zu entdecken, zu erklären - nicht einfach nur abzubilden, was ihnen bereits vorher bewusst war.

Andrej Auchs Motive muten oft skurril an. (Foto: Toni Heigl)

Wenn Andrej Auch über seine Werke spricht, ist es manchmal schwierig, jedem einzelnen Gedanken zu folgen, er springt, sucht einen Sinn, wird gerne philosophisch, fragt dann wieder ganz grundlegend nach dem Zweck der Assoziation. Dabei braucht gerade seine Kunst das nicht. Sie wirkt ohne Erklärung. Vielleicht ist es sogar ihre innere Diskrepanz, die sie so ausdrucksstark macht. Zum Beispiel dieses eine Bild, noch liegt es auf dem Boden: der Hintergrund ein Wellenmeer, davor eingefügt ein Waldstück. Darüber rote Vögel, dazwischen goldene Statuen. "Malerisches Modellieren", nennt es Auch. Die Körper und Formen entstehen für ihn während dem Malen, je nachdem, wie sich die unterschiedlichen Materialien verhalten. Manchmal möchte er dabei etwas entstehen lassen oder etwas hinzufügen, manchmal abstrahieren und sehen, wie weit es sich filtern und entfremden lässt. Jedes Werk wirkt wie ein Experiment in sich, wird auf skurrile Weise schlüssig. Fertig ist das Werk für Auch, wenn es einen abgeschlossenen Raum ergibt, in dem sich der Betrachter selbst frei bewegen, assoziieren, selbst philosophieren kann.

Anna Dietze trägt an diesem Tag ein Paar schwarze Stiefel, spricht pragmatischer. Formuliert die Idee ihrer Kunst beinahe wissenschaftlich: Sie untersuche das Nutzungsverhalten im Digitalen. "Ich möchte herausfinden, was übrig bleibt", erklärt sie. In einer oberflächlichen Welt, die geprägt ist durch einen endlosen Strom an Bildern und Eindrücken. Dietze reflektiert, wo ihr persönlicher Platz liegt, an der Grenze zwischen Digitalem und Physischen. Im Zentrum der Zeichnungen, Videos und Plastiken steht ihr Avatar. Eine Figur, mit der sie sich durch die digitale Welt bewegen und die auch den Weg in die Realität finden kann. Ein Grenzgänger mit grünem Irokesenschnitt, der einem in einer gezeichneten Selfie-Reihe mal grinsend, mal ernst, mal mit zu Herzen geformten Augen entgegenblickt.

Anna Lea Rosa Dietze verwendet viel Pink. (Foto: Toni Heigl)

Die 30-Jährige fragt sich, ganz im Einklang mit ihrer Generation: Was bleibt übrig von mir selbst in einer Flut aus Informationen, die von digitalen Algorithmen fremdbestimmt wird? Ihre künstlerischen Antworten packt sie in pinke Rahmen, auf helle Marmorblöcke, ganz im Stil der Welt, die das Netz gerade für weibliche Nutzer entwirft. Denn auch das spielt für die Künstlerin eine Rolle: Wie unterschiedlich Mann und Frau im Netz existieren, welche Sphären für sie dort allein auf Basis ihres Geschlechts geschaffen werden. Der Avatar hingegen ist geschlechtslos, frei von Interessen und so kann er sich auch frei bewegen, er ist ein Experiment. Um künstlerisch zu ergründen, ob sich die Algorithmen nicht durch Selbstreflexion überwinden lassen.

Eine einheitliche Atmosphäre darf von der Ausstellung nicht erwartet werden - Kunst, Arbeitsweise und Vorstellung der beiden sind zu verschieden, sie wirken alleine stärker als zusammen. Sie versuchen, die Schnittpunkte, die sie finden konnten, durch die Anordnung in der Ausstellung zu betonen. Nun stehen die beiden nebeneinander, er hat den Pinsel wieder in die Hand genommen, sie lehnt entspannt an einer der Säulen in der Galerie. Mal sehen, was sich in drei Tagen noch ändern kann, besprechen sie schmunzelnd, lassen den Blick über den Aufbau streifen. Spätestens hier wird klar: Gemeinsam werden sie die Tür eintreten. Teilweise barfuß, teilweise in Stiefeln - ein kraftvolles Debüt.

Die zwei jungen Künstler haben aber auch einiges gemein. (Foto: Toni Heigl)

Kick in the Door. Werke von Anna Dietze und Andrej Auch in der KVD-Galerie. Vernissage am Donnerstag, 6. Juni, 19.30 Uhr. Zu sehen bis 30. Juni.

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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