Süddeutsche Zeitung

"Nacht der Medizin":Skalpell, bitte

Lesezeit: 2 min

Ärzte simulieren Operationen, Besucher üben sich an Puppen im Nähen von Wunden: Die "Nacht der Medizin" gibt einen Einblick in die Arbeit am Helios-Amper-Klinikum

Von Laura Winter, Dachau

Gespannt scharen sich zahlreiche Besucher um den Operationstisch. Bald ist der OP-Saal bis zum Bersten gefüllt. Auf dem Tisch ist eine Puppe aufgebahrt. Sie heißt "Herr Huber", ein Mann im Alter von 60 Jahren. Ihm soll heute die Gallenblase entnommen werden. Zischend öffnet sich die Tür am anderen Ende des Saals. Ein Mann im blauen Overall betritt den Raum. "Achtung bitte, ich bin steril!", sagt er. Alle Vorbereitungen sind getroffen, der Eingriff kann beginnen. Armin Parzhuber, leitender Oberarzt der Bauch- und Thoraxchirurgie, und sein Team simulieren an der Puppe die Operation. Immer wieder erklären sie ihren Zuschauern die einzelnen Handgriffe anhand eines Videos, das eine solche Operation zeigt. Vor allem die jungen Zuschauer stehen fasziniert vor dem OP-Tisch und können ihren Blick kaum abwenden.

"Nacht der Medizin" im Helios-Amper-Klinikum: Die Besucher können nicht nur einen Blick hinter die Kulissen der Operationssäle werfen, sondern erhalten auch einen ersten Einblick in den neuen Erweiterungsbau. Dort sind an diesem Abend die Nothilfe, die Ernährungsberatung und eine Fotobox untergebracht. Verschiedene Rundgänge und Fachvorträge bieten den Besuchern die Gelegenheit, sich einen Eindruck vom Klinikum zu verschaffen.

An verschiedenen Stationen im Eingangsbereich und im Foyer sind die Besucher dazu eingeladen, selbst aktiv zu werden. Wer will, kann sich in der Unfallchirurgie mit einem Ultraschall untersuchen lassen. Besonderer Andrang herrscht bei den Ständen der Viszeralchirurgie, die unter anderem einen Nahttrainer bereitgestellt hat. Die Schlange der Personen, die sich beim Nähen von Wunden beweisen wollen, reißt kaum ab. Immer wieder sieht man neue, hoch konzentrierte Gesichter. Die Probanden versuchen fieberhaft, Wunden zu nähen oder mit zwei Zangen in einem geschlossenen künstlichen Körper Stäbchen von A nach B zu bewegen - zu sehen sind diese nur auf einem kleinen Monitor. Hilfestellung geben dabei die zuständigen Ärzte und Pflegekräfte.

Gebannt beobachten die Besucher die Vorbereitungen zu einer Gallenblasen-Operation.

In der Notaufnahme wird eine Reanimation simuliert...

...und die sechsjährige Fraya versucht sich am Besteck zum Wundnaht legen.

Besonderer Hingucker ist ein Exoskelett, eine Art Gehroboter, der es querschnittsgelähmten Menschen ermöglicht zu laufen. Physiotherapeutin Antonia Sedlmeier macht den Test und wagt einige Schritte. Gesteuert wird sie von Catharina Ohlmeier, die, fast wie bei einem Computerspiel, mit einigen Knöpfen die Bewegungen des Roboters steuert. Die umstehenden Besucher sind fasziniert. "Vor Kurzem war so etwas noch Science-Fiction", bemerkt Andreas Eger, Leiter des schlafmedizinischen Labors.

Die Stimmung ist gelöst, sowohl Besucher als auch Mitarbeiter verbreiten gute Laune. Das ist nicht ganz selbstverständlich. Die Pflege am Klinikum steht seit Monaten in der Kritik. Mitarbeiter beteiligten sich an Warnstreiks und protestierten gegen ihre hohe Arbeitsbelastung. Im Dezember vergangenen Jahres klagte die Klinikleitung schließlich gegen einen geplanten Streik und setzte sich durch. Mit Gerd Koslowski als neuem Geschäftsführer des Klinikums soll der Konflikt zwischen Pflegern, Schwestern und der Krankenhausleitung beigelegt werden. Koslowski selbst zeigt sich bei der "Nacht der Medizin" sichtlich entspannt.

Physiotherapeutin Antonia Sedlmeier demonstriert einen Gehroboter für Querschnittsgelähmte.

Auch Implantate zur Versteifung einer Wirbelsäule werden erklärt.

Wie ein Herzkatheter Eingriff abläuft, demonstiert Dr. Axel Strehle mittels dieses Monitors.

Eine Schwester sagt, sie sei von der Veranstaltung "positiv überrascht" und freue sich, dass so viele Menschen anwesend seien. Im Neubau, der kurz zuvor eingeweiht wurde, nutzen einige Mitarbeiter begeistert die bereitgestellte Fotobox. Einige Türen weiter, in einem der neuen Zwei-Bett-Zimmer, hat die Nothilfe ihr Lager aufgeschlagen. Das Team zeigt an einer Puppe bühnenreif den Ablauf einer Reanimation. "Wenn jemand sagt, er habe einen Elefanten auf der Brust sitzen, versetzt uns das in höchste Alarmbereitschaft."

Katharina Erendt, Mitarbeiterin der Patientenverwaltung, sieht mit ihren Kindern bei diesem Schauspiel zu. "Wir haben uns bereits fast alles angeschaut, vor allem die Kinder sind begeistert." Ihre Tochter zeigt stolz ihren Arm, den sie bei einem Kurs mit Gips umhüllt hat.

Mehr als 500 Gäste habe die "Nacht der Medizin" angelockt, so das Klinikum. Vor allem die Einweihung des neuen Erweiterungsbaus sei dafür ein Anreiz gewesen. Wegen der guten Resonanz werde das Klinikum eine solche Veranstaltung mit Sicherheit wiederholen.

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SZ vom 06.02.2018
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