Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Ciao Nella

Sie wird Dachau fehlen: Nella Conson, die Wirtin des "Piccolo Amalfi", ist überraschend mit 66 Jahren gestorben

Von Christiane Bracht, Dachau

Die Zettel flattern im Wind. "Wegen Trauerfalls geschlossen" steht handgeschrieben darauf. Im "Piccolo Amalfi", wo Nella Conson sonst die Gäste empfing, mit ihnen plauderte und lachte, Pizza und Pasta servierte, war an diesem Dienstag alles dunkel. Wie ein Lauffeuer hat sich die Nachricht von ihrem plötzlichen Tod in Dachau herumgesprochen. Wer davon hörte, konnte es kaum glauben. "Es hat mich sehr betroffen gemacht", sagt Oberbürgermeister Florian Hartmann. Er zählte zu den häufigen Gästen im Amalfi. "Ich bin gerne zu ihr gekommen. Es war so eine nette Gastfreundschaft. Sie war immer zu Scherzen aufgelegt."

1969 eröffnete das Amalfi am Karlsberg. "Wir waren das erste italienische Restaurant in Dachau", erzählte Nella Conson noch im Sommer voller Stolz. Ihr Vater hatte kurz zuvor die ganze Familie aus Treviso nach Dachau geholt. Seither stand Nella Conson mit dem Notizblöckchen vor den Gästen und nahm die Bestellungen auf. Damals war sie gerade mal 16 Jahre alt und konnte kaum deutsch. Doch sie war fleißig und lernte schnell. "Die ersten Gäste schauten misstrauisch zur Tür herein und sind gleich wieder gegangen", erzählte die inzwischen 66-Jährige. Doch dann kamen sie doch.

Für viele Dachauer war das Amalfi der erste Berührungspunkt mit Italien - auch für den ehemaligen Oberbürgermeister Peter Bürgel. "Ich habe dort meine erste Pizza gegessen. Da war ich etwa 16 oder 17 Jahre alt", sagt er. Jahrzehntelang verbrachte er gerne seine Mittagspausen dort oder auch ganze Abende. Wie die meisten, die man an diesem trüben Dienstag fragt, sagt er: "Das Amalfi ist eine Institution in Dachau - keine Frage." Und die meisten verknüpfen es ganz eng mit Nella Conson. "Sie war wahnsinnig nett und immer gut drauf", sagt Bürgel. "Auch letzte Woche noch."

"Sie war der Mittelpunkt des Lokals", sagt Roberto Ciavaglia. Er war 30 Jahre lang Kellner in Dachau, lebt jetzt in Italien, kennt Nella Conson aber von klein auf und ist eng mit ihr und ihrem Lebensgefährten Giovanni Ciragliano verbunden, der seit 18 Jahren das Restaurant mit ihr zusammen betrieb. Ciragliano stand in der Küche und kochte, sie kellnerte, managte und organisierte. "Sie war ein so herzlicher Mensch", sagt Roberto Ciavaglia und viele andere pflichten ihm bei. "Sie hat sich nicht nur um das leibliche Wohl der Gäste gekümmert, sondern sich immer auch erkundigt, wie es läuft. Sie wird Dachau fehlen", sagt Vizebürgermeister Kai Kühnel. Im Laufe der Jahre ist Dachau zu Nella Consons Heimatstadt geworden. Doch wer sie auf Italienisch ansprach, konnte das Funkeln in ihren Augen sehen und wie ihr das Herz aufging.

Regisseurin Karen Breece schwärmt von ihrer "Warmherzigkeit" und Kraft. Schließlich hat die Wirtin zusammen mit Giovanni Ciragliano noch im Sommer den Umzug vom Karlsberg in die Augsburger Straße bewältigt. Sie waren glücklich über diese Verkleinerung und wollten noch 50 Jahre Amalfi in Dachau feiern, aber dazu kam es nicht mehr. "Sie war eine so tolle, starke Frau", sagt Breece voller Bewunderung. "Sie hat es mit ihrer authentischen Art geschafft, einen unglaublich warmen Ort zu schaffen, in dem man sich zu Hause fühlt." Und so war das Piccolo Amalfi immer voll.

Kurz vor ihrem Tod ist Nella Conson zum zweiten Mal Oma geworden. Darüber hatte sie sich sehr gefreut, sie lebte nicht nur in und für das Amalfi, sondern auch für ihre Familie. Neben Giovanni Ciragliano lässt sie einen Sohn und zwei Enkel zurück. Die Bestattung ist am Freitag, 10. Januar, um 12 Uhr im Dachauer Waldfriedhof. Wie es mit dem Piccolo Amalfi weitergeht, ist ungewiss.

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SZ vom 08.01.2020
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