Nachhaltige Landwirtschaft:Sorge um das Dachauer Moos

Verein Dachauer Moos; Verein Dachauer Moos

Binsenarten und Gräser wachsen im Dachauer Moos heute vor allem entlang der Flussarme.

(Foto: Stefan Gerstorfer)

Statt undurchdringlichem Dickicht ist inzwischen ein großer Teil der einstigen Moorlandschaft intensiv bewirtschaftet. Der Verein Dachauer Moos drängt auf Veränderungen zum Schutz der Naturlandschaft

Von Sophie Kobel, Dachau

Erlen und Birken stehen im seichten Wasser; ein paar Meter weiter wachsen noch nie gesehene Schlingpflanzen im Schilf. Mit jedem Schritt wird das Dickicht undurchdringlicher. So beschreibt Waldemar Bonsels das Dachauer Moos vor etwas mehr als hundert Jahren in seinem Roman "Das Anjekind". Wer heute in der Moorlandschaft spazieren geht, der sieht neben der nicht mehr ganz so wilden Natur viele Schilder, Höfe, Traktoren und Felder. Und: Immer wieder helle Stellen, die unter dem schwarzen Torfboden hervorschimmern. "Diese Kiesflecken gab es so früher nicht, das macht uns Sorgen" sagt Robert Rossa, Geschäftsführer des Vereins Dachauer Moos. Er ist sich sicher: "Wenn sich nichts ändert, werden wir in wenigen Jahrzehnten eine Dachauer Heide haben."

Wieso aber geht es dem Moor im Landkreis so schlecht? Als das Sumpfgebiet vor Jahrtausenden entstanden ist, war die Torfschicht zwischen vier und fünf Metern tief. Im 18. und 19. Jahrhundert allerdings wurde Torf zu dem fossilen Rohstoff der Energiegewinnung. Durch den industriellen Abbau des Torfs schrumpfte die Schicht deutlich. Doch bis dahin war das gesamte tief gelegene Dachauer Land bis zum Schlossberg noch immer eine Sumpflandschaft. Aber die Metropole München wuchs immer weiter und die Bevölkerung brauchte mehr Nahrung. "In einem Sumpf konnte man allerdings nichts anbauen", erklärt Rossa. Darum wurde das Moos schließlich trockengelegt und die Bäche begradigt. So konnte flächendeckender Ackerbau und vermehrte Besiedelung ermöglicht werden. Die Konsequenzen sind groß: "Durch den intensivem Ackerbau verlieren wir mittlerweile jedes Jahr bis zu einem Zentimeter des Oberbodens", sagt Rossa. Man dürfe nie vergessen: Moornutzung sei immer endlich.

Der Münchner Agrar-Ingenieur ist nicht der Einzige, der sich im Landkreis Dachau bereits seit Jahren mit der Frage beschäftigt, wie Formen der Landwirtschaft aussehen könnten, die den empfindlichen Moosboden erhalten würden. Auch die Kreisgruppe des Bundes Naturschutz in Dachau verfolgt die Veränderungen im Moor: "Es gibt Äcker, die sehen aus wie Steinwüsten. Der Grundwasserspiegel ist hier viel zu niedrig und die Bauern arbeiten teilweise bereits mit dem Kies, der sich ganz unten befindet. Alle Schichten darüber haben sie bereits zerstört", sagt der Kreisvorsitzende Roderich Zauscher.

Um das Moos nachhaltig zu befeuchten müssten die Bauern große Teile ihrer Felder zu Wiesen und Weiden umwandeln. Derzeit allerdings wird auf etwa 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Dachauer Mooses Ackerbau betrieben. Dieser Anbau von Mais, Kartoffel, Getreide oder anderen Nutzpflanzen verträgt sich nicht mit dem Ziel der Wiedervernässung: "Wenn der Torf nicht feucht ist sondern Sauerstoff an ihn rankommt, verfault er und verdampft anschließend in Form von CO2", erklärt Zauscher.

Jeder Bauer, der den torfhaltigen Boden im Dachauer Moos für Ackerbau nutzt, setzt jährlich bis zu 40 Tonnen Kohlendioxid pro Hektar in die Luft. Um das zu verhindern bräuchte es entsprechende Förderungen für Bauern, durch die sich nachhaltiges Landwirtschaften auch finanziell lohnt. Derzeit allerdings rentiert sich der Ackerbau für die meisten Bauern mehr als eine nachhaltige Bepflanzung in Form von Weiden oder Biotopen.

Robert Rossa sieht hier eines der Kernprobleme: "Landwirte sind spezialisiert, sie haben die vergangenen Jahrzehnte in Maschinen und Hallen für Hunderttausende Euro investiert. Sie können nicht von heute auf morgen ihre Wirtschaftsweise umstellen." Damit sich eine solche nachhaltige Umorientierung auch finanziell lohnt, müssen Bauern auf allen politischen Ebenen gefördert werden. Das Bundesumweltministerium hat im November 2020 ein Diskussionspapier erstellt, auf dessen Grundlage eine Moorschutzstrategie der Bundesregierung entstehen soll. Für Rossa ist das ein wichtiger Schritt, schließlich betreffe die Problematik auch andere Bundesländer. Er betont: "Die Förderungen müssen langfristige Perspektive haben und dürfen nicht nur kurzzeitig greifen. Wenn Landwirte ihre rechtmäßige Bewirtschaftung ändern sollen, muss die Gesellschaft dafür zahlen."

Ein großes Potenzial sieht der Agrarberater neben Fördergeldern zudem im Zertifikatehandel. "Firmen lassen in Timbuktu oder Südamerika Bäume pflanzen um ihr CO₂ zu kompensieren. Wieso macht man das nicht vor Ort mit den Flächen der eigenen Kommunen, indem man die Landwirte unterstützt und so CO₂ im heimischen Moos kompensiert?" Die Idee haben Dachau Agil im Rahmen des Leader Förderprogramms der EU bereits ins Auge gefasst. Rossa berät die Zuständigen bei der Zusammenstellung eines solchen Konzepts. Das allein reiche jedoch nicht, sagt er. Auch auf kommunaler und Landesebene müsse etwas getan werden. Denn: Jede Gemeinde hat eigene Flächen und könnte Flächen zukaufen, die dann verpachtet und nachhaltig bewirtschaftet werden.

Verein Dachauer Moos; Verein Dachauer Moos

Große Teile des früheren Sumpfgebiets wurden trockengelegt, um Landwirtschaft zu ermöglichen. Die Böden leiden darunter.

(Foto: Stefan Gerstorfer)

Hier sieht Simon Sedlmair, Vorsitzender des Bayerischen Bauernverbands Dachau ein Problem: "Ein Großteil der Kernzonen im Dachauer Moos gehört Landwirten und Privatpersonen. Da ist es gar nicht so einfach, noch Flächen zu erwerben. Man könnte aber zum Beispiel Landwirten, die ein paar Hektar Land im Moosgebiet besitzen, woanders eine Ausgleichsfläche zum Tausch anbieten", sagt der Kleinberghofener. Ganz so einfach sei aber auch diese Option nicht, denn die Agrarflächen im Landkreis seien begrenzt und die Kommunikation zwischen den Beteiligten schlecht.

Sedlmair, der erst seit November Kreisobmann des BBV ist, sieht darin eine seiner wichtigsten Aufgaben für das kommende Jahr: "Wir brauchen viel mehr Gespräch und Zusammenarbeit zwischen dem Moosverein, dem Bund Naturschutz, dem Vogelschutzbund und dem Bauernverband. Momentan habe ich das Gefühl, die Landwirtschaft ist gar nicht mit eingebunden", sagt er. Ein Gremium müsse her, und das möglichst schnell. Denn was das Dachauer Moos angeht, ist sich auch Sedlmair sicher: "Ich bin oft dort und schaue mir die Böden an und sie sind zu trocken. An manchen Stellen in Wassernähe hängen ganze Wurzeln von Bäumen in der Luft. Das ist schrecklich."

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