Massengrab:Lagergemeinschaft schaltet Staatsanwalt ein

Massengrab: Max Mannheimer, Präsident der Lagergemeinschaft.

Max Mannheimer, Präsident der Lagergemeinschaft.

(Foto: Toni Heigl)

In der Siedlung Ludwigsfeld liegt vermutlich ein KZ-Massengrab, aber seit Jahren kümmert sich niemand darum.

Von Helmut Zeller, Dachau/München

In der Siedlung Ludwigsfeld liegt auf dem Gelände des ehemaligen Dachauer KZ-Außenlagers Allach möglicherweise ein Massengrab - aber die Stadt München unternahm bisher keinen Schritt zur Aufklärung. Jetzt hat die Lagergemeinschaft Dachau, der Zusammenschluss ehemaliger KZ-Häftlinge, auf einen Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 24. September reagiert und bei der Staatsanwalt München I eine Strafanzeige wegen des Verdachts auf Störung der Totenruhe gestellt. Schon vor zwei Jahren hat der Münchner Stadtteilhistoriker Klaus Mai Belege für ein Massengrab von Holocaust-Opfern öffentlich vorgelegt. Letztendlich kann jedoch nur eine Grabung Gewissheit bringen. Aber geschehen ist bisher nichts.

Max Mannheimer, Präsident der Lagergemeinschaft und Vizepräsident des Comité International de Dachau (CID), war selbst drei Monate lang Häftling im KZ-Außenlagerkomplex Allach. "Es ist völlig unverständlich und respektlos gegenüber den Toten, dass seit Jahren diskutiert und gestritten wird, aber nichts geschieht", sagt der 95-jährige Max Mannheimer. Er und die anderen Mitglieder hoffen, dass nun endlich durch die Anzeige Bewegung in die Sache kommt. Das wird, wenn überhaupt, aber noch einige Zeit dauern. Die Staatsanwaltschaft München I wird nun zunächst prüfen, ob ein Anfangsverdacht auf eine Straftat besteht, wie ein Behördensprecher der SZ sagte. Davon hängt es ab, ob Ermittlungen aufgenommen werden. Die umfangreiche Dokumentation des Stadtteilhistorikers Klaus Mai, Mitglied der Lagergemeinschaft, legt das jedenfalls nahe.

Sterbliche Überreste von 300 Menschen

Klaus Mai vermutet anhand von Luftbildaufnahmen der Alliierten, Archivunterlagen sowie Aussagen Überlebender auf dem früheren Liebel-Areal an der Granatstraße die sterblichen Überreste von vielleicht 300 Menschen, jüdische KZ-Häftlinge und andere, die zur Zwangsarbeit für die Firma BMW gepresst wurden. Die Sterblichkeit unter den Häftlingen, die unter unmenschlichsten Bedingungen schufteten, war sehr hoch. Die Toten wurden nach Dachau zur Verbrennung in das Krematorium des Konzentrationslagers gebracht. Darüber schreibt auch Max Mannheimer in seinem "Späten Tagebuch". Er musste die Leichen in einem Karren nach Dachau bringen. In den letzten Wochen vor der Befreiung des KZ Dachau am 29. April 1945 waren die Krematorien überlastet. Die Toten wurden im Außenlager verscharrt.

Max Mannheimer erinnert sich noch gut an einen besonders grausamen Kommandoführer Jäntzsch, der seinen Schäferhund auf die Häftlinge hetzte. Das "OT-Lager Karlsfeld" (Organisation Todt) wird erstmals im Juli 1944 erwähnt und lag am Rand des Außenlagerkomplexes. SS-Hauptscharführer Johann Kastner hatte nach dem Krieg erklärt, dass überwiegend Juden aus Rumänien und Ungarn im OT-Lager inhaftiert waren.

Offenbar tun sich noch heute Kommunalpolitiker schwer mit der Vergangenheit. Allach war das einzige KZ im Stadtgebiet und man will sich Mai zufolge nicht mit der Wahrheit konfrontieren, dass der Holocaust auch auf Münchner Boden stattfand. Mai hofft, dass die Strafanzeige nun die Angelegenheit beschleunigen könnte. Mannheimer sagt: "Die Vorstellung, dass Tote unter einem Haufen Müll liegen, ist unerträglich." Das Liebel-Areal wird heute als eine Art Schrott- und Lagerplatz verwendet. Auf dem Grundstück wohnen auch Menschen in Containern, und es werden Autorennen veranstaltet, wie Mai sagt. Er hat der Lokalbaukommission bereits seine Unterlagen überlassen. Die Behörde führt einen Rechtsstreit mit dem Eigentümer. Er hat geklagt, weil ihm die Lokalbaukommission die ungenehmigte Nutzung untersagte.

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