Kultur:Nur die Liebe zählt

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Die "Camerata Vitilo" ist ein Ensemble aus Musikern verschiedener renommierter Orchester. (Foto: Gérard Essaka)

Wer Spitzenmusiker klassischer Ensembles hören will, muss dafür normalerweise große Konzerthäuser aufsuchen, ausgestattet mit feiner Garderobe und einem teuren Ticket. Beim Musikfest Blumenthal ist alles anders. Über ein Klassik-Festival ohne steife Hemden.

Von Gregor Schiegl, Altomünster/Aichach

Selten denkt man bei einem Festival der klassischen Musik an krumme Gurken, an Ziegenkäse und Gemüseschnibbeln. Klassik, das ist Hochkultur, Distinktionsmerkmal einer bildungsbürgerlichen Elite. Aber eben nicht beim Musikfest Blumenthal. Schon zum vierten Mal veranstaltet der Dachauer Klarinettist und Menschenfreund Georg Arzberger dieses alternative und ziemlich lässige Klassik-Festival auf dem Gelände von Schloss Blumenthal, kurz hinter der Landkreisgrenze zu Aichach. Die Eintrittspreise zahlt man erst nach dem Konzert: so viel man will, so viel man kann. Und wer kann, darf auch ein bisschen mehr zahlen, denn Idealismus funktioniert nur mit Solidarität.

Geboten bekommt man dafür nicht nur Gutgemeintes, sondern auch wirklich Gutgemachtes: Konzerte mit Musikern aus den besten Ensembles und Orchestern Deutschlands und Europas. Aber eben auch die bereits angesprochene „Schnibbelparty“ unter freiem Himmel, bei der Obst und Gemüse, das man sonst vielleicht wegwerfen müsste, Eingang finden in leckere Bio-Gerichte. Das ist zwar bloß eine Fußnote des dreitägigen Programms, aber eine, die viel aussagt über den Spirit dieses Festivals: Nachhaltig soll es sein, ökologisch und sozial, offen für jedermann – auch für jene, die viel Liebe für Musik in ihrem Herzen tragen, aber eben leider nur wenige Euros im Portemonnaie.

Hier gibt es keinen„Dienst nach Vorschrift“

Herzstück und All-Star-Team des Festivals ist Camerata Vitilo. Viele Mitwirkende dieses Festspiel-Ensembles sind langjährige musikalische Wegbegleiter und Freunde von Georg Arzberger. Längst gehört er zu den profiliertesten Klarinettisten Deutschlands, viele Jahre spielte er an der Deutschen Oper in Berlin, seit 2019 hat er eine Professur für Klarinette an der Hochschule für Musik und Theater München inne. „Ich habe in meinem Musikerleben schon in vielen großartigen Orchestern gespielt“, sagt er, und doch unterscheide sich die Camerata Vitilo deutlich von anderen „renommierten Klangkörpern“. Hier könne man mit Freunden „nicht nur auf höchstem Niveau Musik machen“, sondern auch Konzerte „abseits des berühmten Diensts nach Vorschrift“.

Gleich viermal kann man dieses „erste und einzige professionellen Orchester im Wittelsbacher Land“ beim diesjährigen Musikfest in großer Besetzung erleben. Ein Höhepunkt sind zweifellos die beiden Dvořák-Serenaden, die am Samstag, 27. Juli, ab 19 Uhr zu hören sind. Das gesamte Streichorchester kommt darin zum Einsatz, außerdem Bläser, Cello und Bass – es ist fast eine eigenständige Sinfonie. „Auf diesen Abend freue ich mich wirklich ganz besonders“, sagt Arzberger. Alle Konzerte bestreitet das Orchester kollektiv – ohne Dirigenten, jedoch mit einer Konzertmeisterin und keiner Geringeren als der renommierten Geigerin Yuki Kasai.

Die Konzertbühne unter dem Dachstuhl hat nicht nur eine interessante Optik, auch die Akustik ist hier ausgezeichnet. (Foto: Gérard Essaka)
Georg Arzberger, Festivalleiter und Erfinder des Musikfests Blumenthal. (Foto: Claudia Reiter)

Zur Eröffnung an diesem Freitag, 26. Juli, gibt es ein Crossover-Konzert mit der Berliner Liedermacherin Dota Kehr, die sich – da passt sie perfekt ins Konzept – für Nachhaltigkeit, gesellschaftliche Themen und den Schutz der Umwelt einsetzt. Begleitet wird Kehr von Gitarrist Jan Rohrbach. Ingrid Hausl und Musiker der Camerata gestalten am Samstag, 27. Juli, um 15 Uhr einen Nachmittag für Kinder. Zur Musik von Mendelssohn geht die Reise in die Welt von Shakespeares „Sommernachtstraum“ mit ihren Feen und Elfen.

Junge Musiktalente stehen bei einem Konzert mit dem Festspielorchester am Samstag, 27. Juli, um 17.30 Uhr selbst als Interpreten auf der Bühne. Zusammen mit Alexa Beattie, Musikerin bei den Münchner Philharmonikern und dem Münchner Kammerorchester, haben sie Edvard Griegs Holberg Suite op. 40 für Streichorchester einstudiert. Und zum Finale am Sonntag, 28. Juli, um 18 Uhr steht dann „The unanswered Question“, ein außergewöhnlich bewegendes Stück des amerikanischen Komponisten Charles Ives auf dem Programm, außerdem die „Sinfonia Concertante“ für Bläsersolisten und Orchester von Mozart sowie Beethovens Sinfonie Nr. 4.

Musikfest Blumenthal, von Freitag, 26. bis Sonntag, 28. Juli. Alle Veranstaltungen haben freie Platzwahl, die Anzahl der Plätze ist jedoch begrenzt. Aus Gründen der Planbarkeit bittet die Festivalleitung sich rechtzeitig über München Ticket kostenlos anzumelden. Das Eröffnungskonzert am Freitag ist nahezu ausreserviert, es gibt nur noch wenige Restkarten an der Abendkasse. Weitere Informationen auf: www.musikfest-blumenthal.de.

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