Gerichtsprozess:Kokain-Kurier muss ins Gefängnis

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Vor dem Landgericht München II muss etwa geklärt werden, wer das Kokainpaket geschnürt hat. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ein 23-Jähriger versucht, ein Kilogramm Koks im ICE von den Niederlanden nach Österreich zu schmuggeln. Doch dann bekommt er auf Höhe von Dachau einen Krampfanfall. Das Landgericht verurteilt ihn zu einer mehrjährigen Haftstrafe.

Von Anna Schwarz, München/Dachau

Als Drogenkurier sollte er im Januar ein Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Österreich schmuggeln, doch der Versuch scheiterte: Denn im ICE Richtung München auf Höhe von Dachau bekam der 23-jährige Niederländer einen Krampfanfall, der Zug musste außerplanmäßig anhalten, und ein Rettungssanitäter fand das Kokain-Päckchen bei dem 23-Jährigen. Dieser habe es erst noch unter seinem Hosenbund verstecken wollen, so sagte es der Sanitäter Anfang August vor dem Landgericht München II aus. Am Montag wurde die Verhandlung wegen unerlaubter Einfuhr von und dem Handel mit Drogen fortgesetzt. Der 23-Jährige wurde zu einer Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

In den Saal wurde der Angeklagte von zwei Justizvollzugsbeamten geführt, seit sieben Monaten sitzt er in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim. Bereits bei der ersten Verhandlung hat er ein Geständnis abgelegt: Dreimal habe er als Kurier agiert, zweimal habe er Geld von den Niederlanden nach Österreich transportiert, im Januar das bei ihm gefundene Kokain – als Belohnung sollte er 500 Euro bekommen. Bei seinen Auftraggebern handle es sich um „Freunde von Bekannten“, die er im Gefängnis kennengelernt habe, als er wegen Einbrüchen einsaß. Mit den 500 Euro habe er sich etwas dazuverdienen wollen, denn er lebte damals noch bei seiner Mutter und ging auf eine Pflegeschule. Gehandelt habe er mit dem Kokain aber nicht, sagte er vor Richterin Marion Tischler aus.

Drei Monate saß er schon mal im Gefängnis

Das musste das Münchner Schöffengericht noch klären, es ging daher um die Frage, wer das Kokainpaket vor der Zugfahrt geschnürt hatte. Wie ein Beamter der Dachauer Polizei aussagte, enthielt es 78 Prozent Kokain. Vor Gericht wurde der „Kokainziegel“ auf einer Beamerfolie gezeigt: Das Drogenpaket war in mehreren Folien verpackt und außen getarnt mit der Aufschrift einer Modemarke. Ein Beamter der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck ließ das Paket forensisch untersuchen: Die DNA-Spuren des Angeklagten wurden lediglich an der äußeren Paketschicht gefunden, an den drei inneren Folien hafteten DNA-Spuren einer anderen Person, die die Polizei inzwischen ausfindig gemacht hat.

Der Kripo-Beamte hatte auch die Handyverbindungsdaten des Angeklagten ausgewertet, um seinen Fahrtweg nachzuvollziehen. Demnach wollte der Niederländer mit dem ICE über Eindhoven und Frankfurt nach München fahren, um dort nach Salzburg umzusteigen, Endziel sei Linz gewesen, sagte der Angeklagte. Doch so weit kam es nicht. Die ihm versprochenen 500 Euro Lohn als Drogenkurier habe er auch nie bekommen.

Seit dem Vorfall sitzt der Angeklagte in U-Haft. Hier soll er im Februar einen Gefangenen bedroht und versucht haben, ihm einen Schlüsselbund aus der Hand zu reißen, hielt ihm Richterin Marion Tischler vor. Der Angeklagte bestritt dies und sagte, dass er nach einem Stück Seife gefragt habe, um sein Tablett zu waschen und deshalb lauter geworden sei. Das Verfahren wurde eingestellt, da der Vorwurf der Tat aus dem Januar schwerer wiegt. In den Niederlanden musste sich der Angeklagte bereits dreimal vor Gericht verantworten, wegen Diebstählen und Einbrüchen, die er mit anderen begangen hat. Drei Monate saß er schon mal im Gefängnis.

„Mit Kriminalität will ich nichts mehr zu tun haben“

„Diese drei Straftaten sind die einzigen Auffälligkeiten in seiner Biografie“, sagte dazu eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, die mit dem Angeklagten gesprochen hat. Er habe eher ein Suchtproblem mit Cannabis. MDMA, sprich Ecstasy, habe er ebenfalls schon ein paar Mal genommen, auch vor der Zugfahrt, es könnte zu dem Krampfanfall geführt haben, so die Ärztin. Der 23-Jährige geht von einer allergischen Reaktion aus, und glaubt, in dem Essen, das er sich im Bordbistro gekauft hat, waren Nüsse. Die Ärztin erklärt dazu: „Es kann auch ein Zusammenspiel von beiden gewesen sein“ – aus den Nüssen und dem MDMA.

In seinem Schlussplädoyer forderte der Staatsanwalt sieben Jahre Haft, unter anderem hielt er dem Angeklagten sein Geständnis zugute, negativ sah er die drei Vorstrafen aus den Niederlanden. Die Verteidigerin forderte, „dem jungen Herrn noch eine Chance zu geben“, der sich geständig und kooperativ gezeigt habe. Sie plädierte dafür, eine zweijährige Haftstrafe auf Bewährung auszusetzen.

Für den Angeklagten steht am Prozessende fest: „Mit Kriminalität will ich nichts mehr zu tun haben.“ Zudem würde er seine Haftstrafe gerne in den Niederlanden absitzen, damit ihn auch seine Familie besuchen kann. Nach dem Gefängnis möchte er dann so schnell wie möglich wieder in die Schule gehen, um später in der Pflege arbeiten zu können.

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