Mobilität:Eine Branche im Umbruch

Der Dieselskandal wirkt sich auch auf den Landkreis Dachau aus: Nicht in sinkenden Absatzzahlen, sondern in der Unsicherheit der Käufer. Eine Umfrage unter Autohändlern

Von Annalena Sippl, Dachau

Dieselskandal, Umrüstungspläne und drohende Fahrverbote - die deutsche Automobilindustrie erlebt momentan unruhige Zeiten. So berichten bundesdeutsche Medien, dass der innerdeutsche Absatz von Volkswagen um elf Prozent gesunken sei. Als Ursache gilt der Dieselskandal. VW-Vertragshändler im Landkreis Dachau wollen sich zu den Folgen für den Umsatz nicht öffentlich äußern. In der Dachauer Branche wird vermutet, dass VW-Händler zur Zeit ums Überleben kämpfen müssen. Und wie geht es den anderen? Sie äußern sich zurückhaltend bis optimistisch über die Auftragslage.

Hans Rauscher, Geschäftsführer des gleichnamigen Autohauses, spricht von einem "Umsatzplus". "Das einzige, was im Moment hakt, sind die gebrauchten Dieselfahrzeuge." Die schwarzen Zahlen führt er auf einen Aufwärtstrend zurück, den Ford seit einiger Zeit durchlebe. Hinzu komme noch das positive Image der Automarke. Zudem geht er davon aus, dass enttäuschte VW-Kunden zunehmend auf die Modelle des amerikanischen Herstellers umgestiegen seien. Die Lage des Wettbewerbskonkurrenten schätzt er düster ein: "Der VW-Marktanteil wird immer geringer, einige Händler können so sicher nicht mehr lange überleben."

Abgasuntersuchung

Ein Diesel im Test. Die große Frage lautet: Kommt das Verbot? Dachaus Autohändler müssen zurzeit die Fragen von Kunden beantworten.

(Foto: dpa)

Die Diesel-Umweltprämie sei in seinem Autohaus gut angelaufen: "Diesel rentiert sich eben vor allem bei Vielfahrern, etliche Kunden überdenken dies jetzt und steigen auf Benziner um." Trotz aller guten Nachrichten spüre er jedoch deutlich: Durch die Manipulationen mancher Automobilhersteller seien alle Händler in Verruf geraten, selbst wenn sie, wie er, andere Marken vertreiben. Die Bedrohung durch ein mögliches Diesel-Fahrverbot in Innenstädten bereitet Rauscher wenig Sorgen: "Ich halte das für unwahrscheinlich und sehe das gelassen."

Josef Faber im Autosalon Faber sagt: "Die Diesel-Affäre bemerken wir gar nicht. Für uns war es bisher ein durchschnittliches Jahr." Manche Privatkunden seien aber spürbar verunsichert. Faber setzt auf Aufklärung. Firmen kauften jedoch weiterhin Diesel-Modelle von Opel. Zufrieden gibt sich BMW-Händler Erwin Winterholler: "Schon 2016 war sehr gutes Jahr für uns, die Prognosen für 2017 sind mindestens genauso positiv. Wir erwarten eine Umsatzsteigerung von drei bis vier Prozent." Er ist Geschäftsführer des Autohauses Widmann und Winterholler. Einen Rückgang von etwa fünf Prozent verzeichne sein Autohaus hingegen bei den Diesel-Modellen. Die Verunsicherung seiner Kunden halte sich jedoch in Grenzen, glaubt Winterholler. Vor allem dadurch, dass es "bei BMW gute und ehrliche Abgaswerte und keine Manipulation" gebe. Noch aktualisiere das Autohaus die Diesel-Software nicht. Dazu müssten erst die gesetzlichen Vorgaben feststehen. "Dennoch kommen schon Kunden, um für die Umrüstung Termine zu vereinbaren." Winterholler rechnet damit "frühestens im zweiten Halbjahr 2018".

Morgenstau

Städte und Orte wie Karlsfeld leiden unter den Staus.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Bayernweit verzeichneten die Autohändler im Vergleich zum Vorjahr im ersten Halbjahr 2017 ein Plus von etwas mehr als acht Prozent. Die Steigerungsrate gibt das Bayerische Landesamt für Statistik in zwei verschiedenen Zahlen an: Der nominale Umsatzanstieg liegt bei 8,2 Prozent, dieser Wert bezieht sich auf die aktuellen Preise, die im Jahr 2017 gelten. Der reale Anstieg liegt bei 6,9 Prozent, dieser Wert orientiert sich an den Preisen des Basisjahres 2010.

Die Einschätzung trifft auch auf die Dachauer Zulassungsstelle zu: "Wir haben einen jährlichen Zuwachs zwischen 1,8 und 2,3 Prozent, das hängt immer vom Zuzug in der Region ab," sagt Leiter Christian Müller. Bei der Neuanmeldung von Diesel-Fahrzeugen ist der Trend anscheinend gebremst. Denn: "Von Januar bis Ende August wurden etwa 200 Diesel-Pkw weniger angemeldet, als im gleichen Vorjahreszeitraum." In den Jahren zuvor stieg auch bei den Dieselautos die Zahl der Zulassungen stetig. Sein Mitarbeiter Karl-Heinz Krem, Sachgebietsleiter im Bereich Verkehrswesen, vermutet: "Wenn es nun ernsthaft zu Fahrverboten für Dieselwagen kommt, rechne ich schon mit einem Einbruch."

Geschäftsführer Michael Kratzmeier vom gleichnamigen Mercedes Autohaus in Dachau regt an, die Zulassungszahlen zu hinterfragen. Er gibt zu bedenken, dass der Markt durch große Händlergruppen und Werkszulassungen beeinflusst werde. Die entscheidende Frage lautet seiner Meinung nach: "Steht hinter jeder Zulassung auch ein privater Kunde?" Also kein Autohaus, kein Unternehmen oder eine Autovermietung. Diese Skepsis über die Aussagekraft der Neuanmeldungen teilt auch der Leiter der Dachauer Zulassungsstelle. Müller sagt: "Ob es sich nun um kurzzeitige Zulassungen, Händler oder Umschreibungen auf private Halter handelt, kann ich nicht sagen." Für Michael Kratzmeier steht der Servicebetrieb statt dem Handelsgeschäft an erster Stelle, doch sogar hier bleibt die Diesel-Affäre nicht unbemerkt. "Zu diesem Thema hat sich der Beratungsbedarf der Kunden gesteigert, auch in Bezug auf Elektroautos," erklärt der Geschäftsführer. Für ihn befindet sich "die Branche komplett im Umbruch." Er fügt hinzu: "Doch das sehe ich gar nicht negativ."

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