Mitten in Schwabhausen:Die besten aller Birnen

Obst in Schwabhausen

V.l.n.r.: Bürgermeister Wolfgang Hörl, Vertreter des örtlichen Umweltbeirates Richard Merkel und Andreas Kastner – und ein Obstbaum.

(Foto: Gemeinde Schwabhausen)

Deutschland kann sich rühmen, die bedeutendsten Birnen des 20.Jahrhunderts hervorgebracht zu haben. Und in Schwabhausen setzt man noch eins drauf

Glosse von Gregor Schiegl

Deutschland kann sich rühmen, die bedeutendsten Birnen des 20. Jahrhunderts hervorgebracht zu haben. Die eine gehörte Helmut Kohl und führte dazu, dass die politische Karikatur über zwei Jahrzehnte sich dem Genre des Obst-Stilllebens stark annäherte; manche malten dem Birnenschädel sogar ein freches Blättchen an den Scheitel. Und dann wären da noch die Birnen des Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland zu nennen. Darüber schrieb Theodor Fontane zum Leidwesen unzähliger Schüler eine lange Ballade, die man auch noch auswendig lernen musste. Sie wurde 1919 veröffentlicht, acht Jahre, nachdem ein Sturm den Birnbaum umgelegt hatte. In den 1970er Jahren wurde ein neuer gepflanzt - von der falschen Sorte. Im Jahr 2000 folgte dann der richtige Baum: eine Römische Schmalzbirne, besser bekannt unter dem Namen Melanchthonbirne.

Warum man im Havelland so ein Gewese um einen popeligen Birnbaum macht, dürfte für die Schwabhausener nur schwer nachvollziehbar sein. Sie haben vor der eigenen Haustür nicht nur Birnbäume, sondern auch andere Gehölze mit saftig-süßer Fracht. Äpfel zum Beispiel, auch ein paar Kirschen reifen hier. Und während man beim Herrn Ribbeck nicht so genau weiß, ob der nicht vielleicht zu giftigen Spritzmitteln gegriffen hat, ehe er der "Dirn" die makellose "Birn" angeboten hat, kann man sich in Schwabhausen darauf verlassen, dass die Bäume weder gedüngt noch gespritzt sind. Für so was hat eine Kommune heutzutage kein Geld mehr. Es handelt sich also um frisches, heimisches Bio-Obst.

Bevor nun wilde Heerscharen plündernd in Schwabhausen einfallen: Das Obst der Schwabhausener Scholle ist nur gedacht für die Schwabhausener. Diese Form des frugalen Kommunismus findet ihre natürlichen Grenzen auch am privaten Gartenzaun, nur auf öffentlicher Flur pflückt und brockt und klaubt man ungestraft. Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, sind die öffentlich freigegebenen Obstbäume mit gelben Bändchen gekennzeichnet. Das erinnert uns an den Dichter Eduard Mörike und seine Verse: "Frühling lässt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte; / Süße, wohlbekannte Düfte /Streifen ahnungsvoll das Land." Bei der Jahreszeit lag der Mann falsch und bei der Farbe auch. Aber sonst stimmt alles. Guten Appetit!

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