Mitten in Schwabhausen:Blaue Enklave

In Schwabhausen lieben sie den TSV 1860 München. Oder tun sie das wirklich? Für die Kommunalpolitik könnte das jedenfalls eine Chance sein.

Kolumne von Benjamin Emonts

Münchens große Liebe" ist der TSV 1860 - zumindest sieht so das Selbstverständnis seiner Anhänger aus. Den geradezu romantischen Slogan drucken sie seit jeher auf ihre Fahnen, Banner und Schals. Stadionsprecher Stefan Schneider ruft ihn bei jedem Heimspiel durchs altehrwürdige Grünwalder Stadion. Denn ihre große Liebe, das wollen die Sechziger am liebsten der ganzen Welt zurufen, vergeht selbst in den schweren Zeiten nicht, die der Verein ständig durchlebt. Trotz aller Krisen sind die Löwen fest überzeugt, dass es innerhalb Münchens immer noch mehr von ihnen als von den Erfolgsfans des Erzfeinds und Rekordmeisters FC Bayern gibt. "München ist blau", heißt deshalb ein anderer Schlachtruf. Rot ist höchstens das Umland.

Wobei auch daran mancherorts Zweifel aufkommen - beispielsweise in Schwabhausen im Dachauer Hinterland. Am dortigen S-Bahnhof ist das Schild mit der Ortsmarke "Schwabhausen" seit Monaten überklebt mit "Grünwalder Straße". Dass der Aufkleber in weißer und hellblauer Farbe gehalten ist, ist freilich kein Zufall. Es sind die Farben der Sechziger, die in der Grünwalder Straße in Giesing zuhause sind. Dort haben sie ihr Kult gewordenes Grünwalder Stadion.

An dem eindeutigen Liebesbekenntnis am Schwabhausener Bahnhof stört sich seit Monaten offenbar niemand, weder die Bahn noch die Bayern-Fans oder die Bürger. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei der Ortschaft womöglich um eine Bastion von Blauen im Exil handelt, eine blaue Enklave inmitten der roten Peripherie. Dafür spricht, dass an den Heimspieltagen der Löwen am Bahnhof verlässlich eine Gruppe von Männern gesichtet wird, die mit Bier und weiß-blauen Schals von Schwabhausen in Richtung Giesing aufbricht.

Statistisch belegbare Zahlen über die Größe der Anhängerschaft finden sich im Einwohnermeldeamt allerdings nicht. Im Schwabhausener Rathaus gibt man sich ohnehin ahnungslos. Bürgermeister Josef Baumgartner beteuert, mit alledem nichts zu tun zu haben: "Ich durfte schon als Kind nicht Fußball spielen, weil es die Oma verboten hat." Für die Bewerber um seine Nachfolge wäre es aus politischer Sicht aber durchaus eine Überlegung wert, eine "Grünwalder Straße" im Ort zu fordern. Die Stimmen der vielen Exil-Löwen hätten sie bei der kommenden Kommunalwahl sicher.

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