Mitten in Röhrmoos:Christsozialer wider Willen

Beim Ortsverband Röhrmoos kann man CSU-Mitglied auf Probe werden. Doch wer nicht selbst tätig wird, bleibt es dann auch auf Dauer

Kolumne von Jacqueline Lang

Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet. Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang", schrieb einst Friedrich Schiller in einem seiner Gedichte. Auf gut Deutsch heißt das so viel wie: Man soll nicht gleich den Erstbesten oder die Erstbeste heiraten, nur weil man kurz Schmetterlinge im Bauch verspürt. Oder allgemeiner formuliert: Wichtige Entscheidungen sollte man mit Bedacht fällen. Ein guter Rat, der sich auf allerlei Lebenssituationen übertragen lässt. Das dachte sich wohl kürzlich auch die CSU. Eben mit jenen ersten Zeilen des Gedichts werben die Christsozialen nämlich aktuell auf Plakaten um neue Mitglieder.

Gepostet hat auch der Ortsverein Röhrmoos ein Bild der Aktion auf seiner Facebookseite. "Natürlich sind uns spontane und wohlüberlegte ordentliche Mitgliedschaften am liebsten", heißt es in einem erklärenden Post. Wer allerdings noch ein wenig Bedenkzeit brauche, für den biete die CSU seit kurzem eine Probemitgliedschaft an. Sie sei kostenlos und gehe erst nach zwei Jahren in eine ordentliche Mitgliedschaft über, das allerdings automatisch, wenn nicht vorab gekündigt wird. Mit Beginn der Vollmitgliedschaft wird der jeweils geltende jährliche CSU-Mitgliedsbeitrag fällig, derzeit sind das 80 Euro.

Ob sich Franz Josef Strauß bereits im Grabe umgedreht hat? Ein Christsozialer war man zu seinen Lebzeiten als Bayer ja sozusagen noch qua Geburt und ein Parteimitglied spätestens sobald man die erste Maß halten konnte. Wie schlecht muss es also um die konservative Partei bestellt sein, wenn öffentlich damit geworben wird, dass man auch "auf Probe" ein CSUler werden kann? Und das, wie im Falle von Röhrmoos, noch dazu in einer Gemeinde, in der die CSU auch nach der Kommunalwahl noch stärkste Kraft ist? Vorbei ist es - das macht diese Aktion nur allzu deutlich - mit der Vorherrschaft der CSU. Oder besser gesagt: Vorbei ist es damit schon etwas länger, aber nun scheint dieser Umstand auch in den Köpfen jener Männer angekommen zu sein, die an der Spitze dieser Partei stehen.

Bleibt für sie nur zu hoffen, dass es sich mit den Probemitgliedschaften so verhält, wie mit so vielen anderen, zunächst kostenlosen Abos, die einem ständig angedreht werden: Man vergisst, dass man sie abgeschlossen hat und plötzlich zahlt man jährlich für etwas, das man gar nicht will. Weil das kündigen aber mühsam ist, schiebt man es immer wieder auf und ehe man sich versieht, ist man dann auf ewig eine Karteileiche.

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