Süddeutsche Zeitung

Mitten in Petershausen:Verdammt eng

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Die Feueralarmübung während der Sitzung lässt die Gemeinderäte erleben, wie schwierig es ist, aus dem Fenster zu klettern - wenn sich dieses nicht weit öffnen lässt

Von Petra Schafflik

Feueralarm - das kennt man aus der Schulzeit: Alle gehen brav in Reihe, hüpfen vergnügt oder schlendern lässig raus aus dem Klassenzimmer, um dann auf dem Hof noch ein bisschen zu plaudern. Eine nette Abwechslung vom Unterricht. Aber solche Übungen können auch anders ablaufen. Wie in Petershausen. Dort haben die Gemeinderäte am Donnerstagabend gerade noch eine unspektakuläre Satzungsänderung durchgewinkt, als ein durchdringendes Piepen durch den Sitzungssaal gellt. Der Alarm kommt nicht unerwartet, schließlich hat Rathauschef Marcel Fath (FW) die "Räumungsübung" vor der Beratung angekündigt. Der zweite Fluchtweg, der nur durchs Fenster erreichbar ist, soll erprobt werden. Dieser Rettungsweg ist neu, erst im Sommer wurde dafür eine Gerüst-Konstruktion vors Rathaus gesetzt, um Brandschutz-Auflagen zu erfüllen. Zu diesen Auflagen gehört auch eine Alarmübung für alle. Verwaltung und die Kinder der Montessori-Gruppe haben schon geprobt, jetzt sind die Teilnehmer der Gemeinderatssitzung dran.

Derart vorgewarnt, nehmen alle die Sirene erst einmal gelassen. Auch die Flüchtlinge, die mit Bärbel Jacob vom Asylhelfer-Kreis eigentlich gelebte Demokratie beobachten wollten, bleiben angesichts der überraschenden Programmänderung ruhig. Als eine Gemeinderätin die Tür öffnet, quillt dichter Rauch vom Treppenhaus herein. Die Nebelmaschine der Feuerwehr leistet gute Arbeit. Jetzt wollen alle zügig raus - durchs Fenster.

Also steigen Gemeinderäte und Zuhörer nacheinander auf einen wackeligen Klapptritt, schwingen sich über den Sims, zwängen sich durch die Fensteröffnung im zweiten Stock. Nichts für Unsportliche, wie sich schnell herausstellt. In den Sprossenfenstern lässt sich nur der untere Bereich öffnen, der Durchschlupf ist eher niedrig. Doch helfende Hände geben Unterstützung, dann geht es die breite Metalltreppe hinunter in den Hof.

Die Feuerwehr ist längst eingetroffen, durchkämmt mit Atemschutzgeräten das Gebäude. Nun heißt es in der Kälte warten, bis der Saal rauchfrei ist. Mit heißem Glühwein und Kinderpunsch, kredenzt vom Bürgermeister, lässt sich die Zeit überbrücken. "Immerhin, alle sind raus", lobt Feuerwehrkommandant Stefan Schneider. Auch wenn die Nachbesprechung mit der Feuerwehr noch aussteht, hat der Bürgermeister eine Verbesserung schon im Sinn - damit der Ausstieg im Ernstfall auch für weniger akrobatisch Veranlagte gut zu bewältigen ist. "Gleich morgen bestelle ich ein Fenster, das sich komplett öffnen lässt."

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Quelle:
SZ vom 26.11.2016
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