Es gibt Rituale, auf die möchte man ungern verzichten. Am Samstagmorgen zum Beispiel. Man hat endlich mal wieder ausgeschlafen, fühlt sich rundum wohl. Aus der Küche weht einem der Duft von gerösteten Kaffeebohnen in die Nase, der Frühstückstisch ist reich gedeckt. Zur vollkommenen Morgenromantik fehlt eigentlich nur noch eines: die Tageszeitung. Wie ferngesteuert peilt der Glückselige also den Briefkasten an. Beim Öffnen dann der große Schock: Der Briefkasten ist leer. Die gute Stimmung beim Teufel.
Nun wäre der Tiefschlag vielleicht noch zu verkraften, wenn er denn ein Einzelfall bliebe. Winfried Gleißner aus Oberndorf bei Haimhausen aber ereilen die geschilderten, morgendlichen Stimmungstiefs nahezu täglich. Die Post, so ist sein Eindruck, hat die Arbeit in seinem Dorf weitestgehend eingestellt. Sein Briefkasten bleibt tagelang leer, über den gesamten Oktober hinweg findet die Post nur einmal wöchentlich den Weg in seinen Briefkasten. Briefe, die eigentlich an ihn adressiert sind, gelangen stattdessen zu seinen Nachbarn und umgekehrt. Zeitungen, die ihrem Namen entsprechend vom Tagesgeschehen berichten, erhält er erst Tage später. Schließlich sei die Post nicht einmal imstande, ihren eigenen Briefkasten zu leeren. Einem Lehrlingsjungen aus der Nachbarschaft sei beinahe gekündigt worden, weil seine Krankmeldung nicht ankam, echauffiert sich Gleißner.
Und was sagt die Deutsche Post zu ihrer Unzuverlässigkeit? Nichts. Beziehungsweise sie ist nicht erreichbar. Ihre Zweigstelle in Haimhausen hat keine eigene Telefonnummer. Bis man über eine Telefon-Hotline zur Pressestelle der Deutschen Post gelangt, hat man bereits mit drei Personen telefoniert - dann wird aufgelegt oder es geht keiner ran. Die Pressestelle ist womöglich so unbesetzt wie die Oberndorfer Briefkästen leer sind. Winfried Gleißner, ehemals Professor für Mathematik und Wirtschaftsinformatik an der FH Landshut, hat sich seine Meinung gebildet: "Das ist ein grenzenloser Saustall."