Mitten in Karlsfeld:Zwischen Reklame und Rechnungen

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Während E-Mail-Postfächer tagtäglich überquellen, bleibt der Briefkasten an der Haustür tagelang leer. Doch manchmal findet sich doch etwas Erstaunliches in der Post

Kolumne von Walter Gierlich

Seit Monaten gibt es Gerüchte, dass die Post im kommenden Jahr das Briefporto um zehn Cent auf 0,80 Euro erhöhen will, was eine Steigerung von gut 14 Prozent bedeuten würde. Erst zum Jahresbeginn 2016 hat das einstige Bundesunternehmen, das in den Neunzigerjahren privatisiert worden war, die Gebühr für einen Standardbrief üppig erhöht, von 62 auf 70 Cent. Begründet wurde das damals unter anderem mit den Herausforderungen durch die digitale Konkurrenz. Und in der Tat kann das jeder nachvollziehen: Während die E-Mail-Postfächer und Social-Media-Accounts tagtäglich überquellen, bleibt der Briefkasten an der Haustür tagelang leer.

Ist dann doch mal was drin, dann oft genug nichts wirklich Erfreuliches: eine Rechnung von einem Handwerker, eine Forderung vom Finanzamt oder ein Bußgeldbescheid wegen zu schnellen Fahrens. Ganz selten - und wohl nur bei Menschen fortgeschrittenen Alters - finden sich dort Ansichtskarten aus dem Urlaub, abgeschickt von Freunden, Bekannten oder Verwandten, die ebenfalls nicht mehr ganz jung sind. Und natürlich erhält man jede Menge Werbung, ob vom neu eröffneten Pizzalieferservice, vom Automobilclub oder von einer Mobilfunk- und Kabelfernsehfirma. Manchmal sind es auch bunt illustrierte Schreiben von Modehäusern, die den Empfänger zum Besuch des Ladens oder zur Online-Bestellung locken sollen.

Daher erstaunte man keineswegs, als einem jüngst von der Karte aus dem altehrwürdigen Briefkasten fünf Herren in Trachtenanzügen entgegenblickten. Da wirbt wohl ein Geschäft für Trachtenmode, denkt man auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen ist zu erkennen, dass alle fünf Trachtler ein breites Grinsen im Gesicht haben. Vielleicht die Ankündigung einer Aufführung des Komödienstadels? Unter Zuhilfenahme der Augengläser wird klar, worum es sich wirklich handelt: Die Freien Wähler Dachau um Sebastian Leiß und Edgar Forster präsentieren sich wieder einmal als heimattümelnde Samtwesten- und Jankerträger. Anders als andere Parteien, die ihre Reklame von Mitgliedern verteilen lassen, lädt die Minipartei per Post Karlsfelder Bürger zu ihrem Stammtisch auf dem Siedlerfest ein, die dort Kreis- und Stadträte sowie Kandidaten zur Landtags- und Bezirkstagswahl kennenlernen sollen. Bierzelt? Das ist ja sonst eher die Domäne der CSU, aber die ist derzeit hauptsächlich mit der Abschottung der bayerischen Grenzen gegen unerwünschte Eindringlinge beschäftigt.

© SZ vom 09.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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