Süddeutsche Zeitung

Mitten in Karlsfeld:Tierisch klug

Elstern sind ziemlich schlaue Vögel und wenn es ums Essen geht ziemlich erfinderisch. Das konnte man kürzlich in Karlsfeld beobachten

Glosse von Walter Gierlich

Es hat sich ja längst auch schon außerhalb des wissenschaftlichen Elfenbeinturms herumgesprochen, dass manche Tiere eine erstaunliche Intelligenz besitzen. "Dumme Sau" beispielsweise ist mithin nicht nur eine maßlose Beleidigung für die mit diesen Worten angesprochene Dame, sondern tut auch dem in der Zoologie so bezeichneten Vierbeiner absolut unrecht. Und neben Schweinen oder Menschenaffen zählt auch so manches Federvieh zu den wahrhaft klugen Gattungen der Fauna. Elstern etwa oder Krähen.

Womit wir bei jener Spezies angelangt sind, von der kürzlich ein Exemplar einmal wieder einen erstaunlichen Beweis seiner enormen Denkfähigkeit lieferte. Es ist morgens kurz vor halb acht Uhr an der Krenmoosstraße in Karlsfeld am "Blumenverkehr" - so nennt im Vorbeigehen ein kleines Mädchen den blütengeschmückten Kreisverkehr gegenüber seiner Mutter. Zwischen den bunten Stauden hat es sich einer der schwarzen Rabenvögel bequem gemacht, bis er eine Papiereinkaufstüte mit dem Aufdruck einer Supermarktkette entdeckt. Sie liegt am Randstein der vom Kreisel wegführenden Georg-Queri-Straße.

Die Krähe macht sich unter Beachtung der Verkehrsregeln, also abwartend bis sich eine Lücke im Autoverkehr ergibt, zu Fuß auf den Weg zur Tüte. Nach aller Vogelerfahrung ist ihr bekannt, dass sich in solchen Behältnissen in der Regel Lebensmittel befinden. Somit könnte dort ein fulminantes Frühstück auf das Tier warten. Es packt die Tüte mit dem Schnabel, schüttelt sie hin und her, bis die Öffnung nach unten zeigt. Doch welche Enttäuschung für den Piepmatz: Nix drin, der Hunger bleibt.

In diesem Moment hält der Schulbus, der die Kinder in die weiterführenden Schulen nach Dachau bringt, an der Haltestelle in der Krenmoosstraße gleich um die Ecke. Schlau wie sie nun einmal ist, weiß die Krähe offenbar, dass die Schülerinnen und Schüler oft schon lange vor Unterrichtsbeginn zum Pausenbrot greifen und dabei so mancher Krümel zu Boden fällt. Also los, vorsichtshalber den längeren Weg über den Zebrastreifen nehmen und nach mehreren Schritten ist das Vorhaben von Erfolg gekrönt: Mit einem dicken Brocken im Schnabel geht es ab zu einem Baum in für Menschen unerreichbare Höhe. Diesmal im Flug.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2021
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