Mitten in Karlsfeld:Faszination Friedhof

Menschen, die sich für etwas besonders begeistern, hört man gerne zu. Ungewöhnlich aber das Objekt der Begeisterung jüngst im Karlsfelder Gemeinderat: der örtliche Friedhof

Kolumne von Christiane Bracht

Es gibt Menschen, denen hört man wahnsinnig gerne zu. Menschen, die sich begeistern können. Die zum Beispiel ein Bild intensiv studiert haben, verzaubert sind von seiner Ausdruckskraft. Oder von der Architektur eines Gebäudes schwärmen, sodass die Freude auf den Zuhörer überspringt. Auch Naturschützer, Biologen, Astrophysiker oder auch Mediziner können zuweilen hochinteressante Aspekte ihres Metiers so darstellen, dass die Zuhörer ihnen an den Lippen hängen.

In der jüngsten Sitzung des Karlsfelder Umweltausschusses sahen sich die Gemeinderäte auch mit diesem Phänomen konfrontiert. Allerdings ging es nicht um schöne Bilder, ansprechende Architektur, leuchtende Sterne oder interessante Lebewesen. Eine Referentin warf voller Enthusiasmus mit Hilfe des Beamers eine Tabelle mit Zahlen nach der anderen an die Wand. Je länger sie sprach, um so begeisterter wurde sie. Etwas irritiert schauten sich die Karlsfelder Gemeinderäte um. Dass jemand Zahlen so elektrisierend findet, können vielleicht manche noch nachvollziehen. Doch bei dem Gedanken, was hinter diesen Zahlen steht, stutzte die Mehrheit: Es ging um eine neue Satzung für den Friedhof, um Grabgebühren, Leichenhausnutzungszwang, um Urnenbestattungen und Bodenbeschaffenheit. Eigentlich ein trauriges, melancholisch stimmendes Thema. Angesichts der vielen Zahlen für manchen vielleicht sogar ein einschläfernd langweiliges.

Doch spätestens als die Referentin schwärmte: "Sie haben einen richtig schönen Friedhof. Der ist richtig gepflegt." Das finde man nicht überall - machte sich ein Lächeln auf den Gesichtern der Gemeinderäte breit. "Ich will trotzdem nicht hin", bemerkte Karlsfelds Vizebürgermeister Stefan Handl amüsiert. Die Referentin ließ das kalt. Sie stellte unverdrossen ihre Ideen und Vorschläge für die Satzungsänderung dar, suchte nach Argumenten und sagte schließlich im Brustton der Überzeugung: "Der Friedhof ist immerhin eine sehr langlebige Einrichtung." Wer kann dem schon widersprechen?

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