Mitten in Karlsfeld:Des Grantlers Lob

Der Grantler grantelt gerne über Gott und die Welt. Auch Kommunalpolitiker geraten des Öfteren ins Visier seines Grants. Doch Obacht! Wenn der Grantler lobt, dann tut er das nur aus einem bestimmten Grund

Kolumne von Walter Gierlich

Zu den Stereotypen vom schönen Bayernland gehören nicht nur Lederhose und Dirndl, Oktoberfest und Neuschwanstein, Jodeln und Schuhplattler, sondern auch das Granteln. Tatsächlich ist der Grantler weit mehr als nur eine Klischeefigur, die sich aufregt, wenn wieder einmal die S-Bahn Verspätung hat oder die Ampel nach zehn Sekunden immer noch nicht auf Grün umspringt. Gern wird der Grantler seinen Ärger auch über politische Entscheidungen los, etwa wenn es die Bundesregierung wieder einmal nicht schafft, ihre Klimaziele einzuhalten oder Glyphosat von den Feldern zu verbannen.

Noch lieber grummelt er jedoch über die Entscheidungen von Kommunalpolitikern, die sich quasi direkt vor seiner Haustür abspielen und ihn ganz direkt betreffen. So schimpft beispielsweise der Karlsfelder, wenn seine Gemeinderäte euphemistisch vom Boulevard Münchner Straße reden, obwohl es sich bei der vierspurigen Bundesstraße, die den Ort brutal durchschneidet, um alles andere als eine Flaniermeile handelt. Wenig Gefallen findet er auch daran, dass der öde und zugige Platz in der "Neuen Mitte" ausgerechnet nach dem verdienstvollen früheren Bürgermeister Bruno Danzer benannt wurde, in dessen Amtszeit allerdings auch Bausünden wie die Schlachtschiffe genannten achtstöckigen Wohnblocks errichtet wurden.

Dennoch lässt sich auch der unversöhnlichste Grantler in seltenen Ausnahmefällen zu einem Lob für Beschlüsse seiner Gemeindemütter (sieben) und -väter (18) hinreißen. Und das fällt momentan im Vorfeld der Europawahl geradezu euphorisch aus. Der Grund ist weithin sichtbar, oder besser gesagt: eben nicht zu sehen. Denn wenn man aus München oder Dachau in die zweitgrößte Kommune des Landkreises kommt, entdeckt man sofort, dass etwas fehlt. Hängen in den Nachbarorten an jedem Baum und jedem Laternenpfahl Wahlplakate mit mehr oder weniger geistreichen Aussagen, so herrscht in Karlsfeld in dieser Beziehung gähnende Leere. Sprangen einem auch hier früher allenthalben kreischend bunte Werbeslogans der Parteien ins Auge, so kleben diese jetzt (fast) nur noch auf einigen wenigen gemeindlichen Anschlagtafeln. Lediglich 20 Plakate pro Partei dürfen seit 2017 zusätzlich übers gesamte Gemeindegebiet aufgehängt oder aufgestellt werden. Welche Wohltat für die Sinne - auch für die unseres Grantlers.

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