Mitten in Karlsfeld:Ach, die Achtziger

Die Achtzigerjahre sind inzwischen Kult, was sich auch daran zeigt, dass die Sound-Hüttn in Karlsfeld eine "8oer-Jahre-Dance-Party" schmeißt. Der ganze Exzess an Geschmacklosigkeiten wie hautenge Bodys, Spandex-Radlerhosen oder Beinwärmer wird dabei ausgeblendet

Kolumne von Gregor Schiegl

Wer in der Achtzigerjahren groß geworden ist, weiß, dass das Lebensgefühl apokalyptisch war wie im Spätmittelalter. Der saure Regen verwandelte Wälder in Ansammlungen trauriger Gerippe, man hörte zum ersten Mal von Aids, und dachte, der erste Kuss könnte schon der letzte gewesen sein, die Havarie in Tschernobyl verseuchte Kinderspielplätze, Mütter verboten einem, frisches Gemüse zu essen, und wenn man nachts von einem Donnerschlag aufwachte, war man erleichtert, wenn es nur ein Gewitter war und keine Atombombe. Die Generäle dieser Tage waren nervöse alte Männer und das eigene Kinderzimmer lag dummerweise genau an der Demarkationslinie zwischen zwei rivalisierenden Supermächten. Aber es ist, wie wir wissen, ja noch mal alles gut gegangen, und der zeitliche Abstand lässt alles in milderem Licht erscheinen, sogar die hautengen Bodys, Spandex-Radlerhosen, Beinwärmer und sinnfreien Stirnbänder.

Die Achtzigerjahre sind inzwischen Kult, was auch daran liegt, dass die, die selbst dabei waren, nun unweigerlich in die zweite Halbzeit des Lebens einbiegen, und sich, ihres einsetzenden Dahingreisens bewusst, nostalgisch zurückblicken. Man blendet dabei gerne aus, dass diese hysterische Neonfarbigkeit, dieser ganze Exzess der Geschmacklosigkeiten so etwas war wie die Orgien zu Zeiten der Pest: eine Bewältigungsstrategie des Irrsinns. Das hindert die "Sound-Hüttn" in Karlsfeld nicht daran, eine "80er- und 90er-Jahre-Dance-Party" auf die Beine zu stellen, einfach so zur Gaudi, ohne Lebensgefahr. Wer stilgerecht erscheinen will, sollte sich noch flux blonde Strähnchen machen lassen. Der Aerobic-Dress muss nicht sein, man kann auch zur bewährten Moon-washed Jeans greifen, sollte dabei aber den obligatorischen neonbunten Telefonkabelschlüsselanhänger auf keinen Fall vergessen. Bei einem gut geschulten Eighties-Barmann bestellt man entweder Küstennebel, Schlammbowle oder - für die Autofahrer - eine Tüte Capri-Sonne mit Strohhalm.

Nur einen Fehler darf man auf keinen Fall begehen: Sein neues Smartphone zücken und Eindruck damit zu schinden. In den Achtzigerjahren war ein Mobiltelefon ein Knochen wie aus dem Hüftgelenk eines Kleinsauriers gebrochen, der nur von gut trainierten Kerlen in der Hand gehalten werden konnte. Das erste Modell war 25 Zentimeter groß und wog fast ein Kilo. Fotos konnte es natürlich keine machen, aber das ist es auch besser so, schließlich reden wir von den Achtzigern.

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