Mitten in Indersdorf:Rettung durch kreischende Farben

Wer auffallen will, muss sich bei der Autofarbe mehr einfallen lassen als Silbergrau und Anthrazit. Das Rote Kreuz macht es mit neuen Lackierungen vor. Modisch nicht ganz stilsicher, aber garantiert ein Blickfang

Von Gregor Schiegl

Wie muss man aussehen, damit Hühner einen schön finden? Wie riecht Ohrenschmalz? Fällt das Butterbrot wirklich immer auf die Butterseite? Und was ist, wenn man beide Seiten bestreicht? Zu all diesen Fragen gibt es umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen und zu der elementarsten aller Fragen, welche Farben bei Autos gerade angesagt sind, sowieso. Dazu könnte man den "European Color Report for Automotive OEM Coatings" konsultieren, es genügt aber schon ein Blick auf den Edeka-Parkplatz: Die meisten Autos sind schwarz, weiß, oder silbergrau. Gediegene Langeweile allüberall.

In Indersdorf ist nun ein Fahrzeug unterwegs, das extrem ins Auge sticht. Das Design erinnert schmerzhaft an die Garderobe von Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr, digitale Infrastruktur und grauenhafte Sakkos. Ein großflächiges Schachbrettmuster zieht sich über die Seiten des Neufahrzeugs, nur mit noch schlimmeren Farben: schreiendes Rot, schrilles Gelb. Die ästhetische Schockwirkung ist gewollt, denn es handelt sich bei dem Gefährt um den neuen Einsatzwagen der Rettungswache Markt Indersdorf. Das aggressive Design gehört zum "Hochsichtbarkeitskonzept", wie das Rote Kreuz erläutert. Die besondere Farbgebung und Anordnung der Beklebungselemente ermögliche eine verbesserte Tag-, Dämmerungs- und Schlechtwettersichtbarkeit des Rettungswagens.

Das modisch eher dubiose Neon dient also nicht nur den Patienten, sondern schützt auch die Retter. "Auf den Sonderfahrten haben unsere Einsatzkräfte ein 16-fach erhöhtes Unfallrisiko", berichtet der Indersdorfer Arzt Hans Kohl. Er ist seit 22 Jahren als Notarzt im Dienst dabei, oft in der Nacht, dann bleibt das Martinshorn aus; man will die schlafenden Leute ja nicht aus den Betten heben. Doch wer nicht gehört wird, muss wenigstens gut gesehen werden. Dazu dient das neue "Battenburg Design". Bei den Briten ist es längst gang und gäbe. Bald wird es auch im Landkreis die Regel sein. Im Kampf um Aufmerksamkeit im Straßenverkehr muss man ständig nachrüsten.

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