Süddeutsche Zeitung

Mitten in Indersdorf:Armes Volksfest

Die Traditionsfeste haben sich mehr und mehr in wilde Partys verwandelt, bei denen die Jugend auf den Tischen tanzt - natürlich in Dirndl und Lederhose, denn Folklore ist angesagt. Jeans sind wie Ponyreiten obsolet

Von Robert Stocker

Volksfeste sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Anno dazumal wurden auf einer Wiese am Ortsrand ein kleines Bierzelt, eine Schiffschaukel und ein Kinderkarussell aufgestellt, dazu gab es ein Rondell fürs Ponyreiten. Heute sind die meisten Festzelte so groß wie ein Fußballplatz, und kleine Pferde, die immerzu im Kreis laufen müssen, obsolet. Manche wittern sogar Tierquälerei. Das löste eine Grundsatzdiskussion im Dachauer Stadtrat aus, bei der Tierschutz und Tradition aufeinander prallten. Das Ponyreiten wurde vom Volksfest verbannt. Übrigens auch die Mäuseburg.

Man mag darüber streiten, ob das Dachauer Volksfest an Charme verliert, wenn dort keine kleinen Nager mehr ausgestellt werden. Bedenklicher dagegen ist die Tendenz, Volksfeste als Geißel der Menschheit zu sehen. So wie eine Anwohnerin in Indersdorf, wo in zwei Wochen das Volksfest beginnt. Seit zehn Jahren wohnt sie neben dem Volksfestplatz - der im übrigen damals schon Volksfestplatz war - und jetzt macht sie gegen den Lärm mobil. Ja mei, wer sich wissentlich neben einer Festwiese niederlässt, muss das Remmidemmi ein paar Tage aushalten können. Oder währenddessen in Urlaub fahren. Die Gemeinde bekennt sich zum Volksfest. "Das gehört zu uns wie die Klosterkirche und der Faschingsumzug", betont Bürgermeister Obesser.

Zugegeben: Auf Volksfesten spielt heute nicht nur die Blaskapelle, sondern auch die Rockband mit E-Gitarren, deren Verstärker das Bierzelt zum Dröhnen bringen. Die Traditionsfeste haben sich mehr und mehr in wilde Partys verwandelt, bei denen die Jugend auf den Tischen tanzt - natürlich in Dirndl und Lederhose, denn Folklore ist angesagt. Jeans sind wie Ponyreiten obsolet. Wie gesagt: Volksfeste sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2017
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