Mitten in Geiselbullach:Killer im Netz

Die digitale Überwachung der Kinderzimmer macht auch vor der Heimstatt von Greifvögeln nicht Halt

Von Gregor Schiegl

Anfang des Jahres sprach die Bundesnetzagentur das Todeurteil: Cayla muss sterben. Die Puppe mit den blonden Haaren und den blauen Augen musste von Amts wegen vernichtet oder zumindest ausgeweidet werden. Ihr Innenleben aus Mikrofon und Funktechnik befähigte sie zur gewerbsmäßigen Spitzelei im Kinderzimmer, etwa über die Rezeptur von Sandkastenkuchen mit Splittstreuseln oder Teddys geheimem Techtelmechtel mit Bob dem Baumeister. Viele Caylas dürften infolge der Enttarnung ihr schreckliches Ende im Höllenfeuer einer Müllverbrennungsanlage gefunden haben - möglicherweise auch in der kommunalen Verwertungsanlage GfA der Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau in Geiselbullach.

Dort befindet sich, gut versteckt, ebenfalls eine Kinderstube, allerdings noch ohne Kinder. Greta und Gregor sind in freudiger Erwartung neuen Nachwuchses. Zwei Eier liegen im Nest der beiden Wanderfalken, die dort in luftiger Höhe residieren. Von echter Privatsphäre kann auch ohne Cayla nicht die Rede sein. Eine Live-Cam sendet permanent Bilder vom werdenden Elternpaar. Greta umsorgt die zwei braun gesprenkelten Eier in stoischer Ruhe, während Gregor die meiste Zeit aushäusig ist, vermutlich um seinem Beruf als Killer nachzugehen. Die Wanderfalken meucheln Tauben, die man ob ihrer Masse und ihres Reichtums an Parasiten auch Ratten der Lüfte nennt. Deren Lebensinhalt besteht darin, alles, was ihnen unter den Hintern kommt, großflächig zuzukleistern. Gregor und Greta haben kräftig aufgeräumt, und bald schlüpfen noch zwei flauschige weitere Killer, live im Netz und ohne Zensur.

Nun stellt sich die Frage, ob die GfA ihre Mitarbeiter einfach privat filmen darf, noch dazu in der Betriebswohnung. Als gerechtfertigt gilt die Überwachung ja nur, wenn ein Unternehmen sein Eigentum schützen oder Geschäftsgeheimnisse wahren will und die betrieblichen Interessen die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter überwiegen. Dabei müssen die Maßnahmen verhältnismäßig sein. Eine kleine Digi-Cam ist für ein Falkenauge allerdings eine verhältnismäßig lausige Überwachung. Greta und Gregor sehen achtmal so gut wie der Mensch. Aber was sie sehen: darüber kein Piep!

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