Mitten in Erdweg:Neun Zuschauer und ein Eigentor

Wütende Grätschen und lachhafte Fehlschüsse in den Fußball-Kreisklassen landen oftmals in sozialen Netzwerken. Schade, dass niemand die Slapstick-Einlage des Schleißheimer Torwarts im B-Klassen-Spiel gegen Erdweg gefilmt hat

Kolumne von Benjamin Emonts

Wenn Bundestrainer Joachim Löw mal wieder öffentlich beim Nasenbohren erwischt wurde und eine öffentliche Debatte über Benimmregeln lostrat, dachte man sich als Amateurfußballer: "Na ja, vielleicht ist es doch ganz gut, kein Profi geworden zu sein." Inzwischen aber, wegen Smartphones und Internet, stehen auch die Amateure immer stärker unter Beobachtung. In den sozialen Netzwerken zeigen etliche Portale lieber wütende Grätschen und lachhafte Fehlschüsse aus den deutschen Kreisklassen als den Schönspieler Cristiano Ronaldo. Kameras sind einfach überall. Schießt ein Stürmer einen Ball freistehend über das leere Tor, erntet er Zehntausende Klicks und hämische Kommentare im Netz. Das Eigentor des tollpatschigen Verteidigers wird heute zum viralen Hit.

Ein Spieler namens Alexander Ehlers muss sich deshalb glücklich schätzen, dass neulich am Erdweger Fußballplatz keine Kameras dabei waren. Ehlers hat in seiner Karriere noch kein einziges Angebot aus dem Ausland bekommen, und seine Fußballschuhe zahlt er selbst. In der B-Klasse, der zweitschlechtesten Liga im deutschen Fußball, traf er mit der zweiten Herrenmannschaft von Phönix Schleißheim auf die Reserve von Erdweg. Am Spieltag und auch die Tage davor hatte es durchgehend geregnet. Auf dem holprigen Erdweger Nebenplatz, auf den sich aus Verletzungsgefahr kein Profi wagen würde, hatten sich große Pfützen gebildet. Dann kam Ehlers' großer Auftritt.

Ein Erdweger Angreifer hatte ihn ausgedribbelt und den Ball Richtung Tor bugsiert. Auf der Linie, Millimeter vor dem Torerfolg, blieb die Kugel in der Pfütze liegen. Erdwegs Angreifer Thomas Höckmayr, international bislang auch ohne Erfahrung, schaltete am schnellsten - er lief in die Pfütze und senste voll an der Kugel vorbei, wodurch das Wasser nur so spritzte, der Ball sich aber keinen Zentimeter bewegte. Die neun Zuschauer am Spielfeldrand jauchzten laut los, seine Mitspieler rauften die Haare. Jetzt kam Torwart Ehlers angerauscht und warf sich seinerseits in die Wasserlache, um eine heroische Rettungstat zu begehen. Dummerweise nur schwamm er mit dem Ball durch die Pfütze direkt hinter die Torlinie, was die neun Erdweger Fans in Jubel versetzte. Es war eine Szene, wie es sie wohl nur im Amateur-Fußball gibt. Und vielleicht findet sich ja doch noch einer, der die Slapstick-Einlage aufgezeichnet hat.

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