Mitten in Deutenhausen:Die Tücken der analogen Kindheit

Zugegeben: Wer auf dem Land aufwächst, hat manchmal Langeweile. Aber Randalieren im Dorf geht trotzdem nicht als Zeitvertreib durch

Kolumne von Viktoria Großmann

In Eichenau musste vergangene Woche die Polizei unter Anwendung körperlicher Kräfte einen zwölfjährigen Jungen von seiner Playstation wegholen. Die Eltern wussten sich nicht anders zu helfen. Der Junge hatte drei Tage ununterbrochen vor dem Bildschirm gesessen, wollte die Konsole nicht aus der Hand legen, nicht schlafen und auch nicht essen, von Schule gar nicht zu reden. Da heißt es dann schnell: Diese Kinder gehen gar nicht mehr hinaus, finden sich in der analogen Welt nicht mehr zurecht. Die Partei ÖDP hat sich daraus sogar ein Wahlkampfthema gezimmert, sie will ein Recht auf eine analoge Kindheit.

Im ländlichen, idyllischen und vor allem sehr traditionsverbundenen Landkreis Dachau ist solcherlei nicht nötig. Hier weiß die Jugend, was zu tun ist: Trachten tragen, Festzelte aufbauen, Söder einladen, Schilder malen, Maibäume beschützen, Fahnen weihen. Das sind feine, gemeinsame Tätigkeiten, oft im Freien, auf jeden Fall mit Aufstehen und analoger Kommunikation verbunden, auch wenn man vorher auf Facebook einlädt und nachher eine Insta-Story postet. Diese Jugend hat verinnerlicht, dass Trinken etwas ist, dass man nur in Gesellschaft tut. Weswegen man stets bestrebt ist, Gesellschaft zu haben.

Menschen, die gemeinsam unterwegs sind, haben mehr Kraft und Lebensfreude und tun Dinge, die sie alleine und nüchtern niemals tun würden. Zum Beispiel mit Getöse Mülltonnen umwerfen, Ortsschilder abknicken, Fahnenmasten und Leitpfosten aus der Verankerung reißen und dabei Hunderte Euro Schaden verursachen. So geschehen kurz nach Mitternacht am Montag an der Blumenstraße in Deutenhausen. Dort feierte am Sonntag der Madlverein Fahnenweihe. Die Polizei möchte das niemandem in die Schuhe schieben. Es sei nicht sicher, dass es sich um Besucher dieser Veranstaltung gehandelt habe. Zeugen sollten sich bei der Polizei melden. Ganz sicher ist man sich, dass es Jugendliche waren. Das hat ein Anwohner beobachtet. Wir halten fest: alleine daheim seine Zeit vor der Playstation verdaddeln ist falsch. Gemeinsam im Freien Mülltonnen umwerfen ist auch nicht richtig. Da bleibt ja nicht mehr viel. Außer: erwachsen werden.

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