Mitten in der Region:Saure Trauben hängen hoch

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Im Wahlkampf hängen gelegentlich AfD-Plakate sehr hoch. Klar, manche Zeitgenossen reißen die Wahlwerbung der Rechtspopulisten herunter. Das will die Partei vermeinden, doch riskiert sie damit, mit dem Wähler nicht mehr auf Augenhöhe zu stehen

Kolumne von Stefan Salger

Das sechste Jahrhundert zählt zur Spätantike. Mag dieses Zeitalter auf Antikmöbelmärkten auch bisweilen verklärt und reich gemasert rüberkommen, so muss man sich nichts vormachen: Zu jener Zeit herrschten das Recht des Stärkeren und nicht selten Chaos und Tyrannei. Auf den Trümmern des kollabierten Imperiums bildeten sich poströmische Reiche unter zumeist germanischen Herrschern. In die Mitte des sechsten Jahrhunderts fällt das Ende der Völkerwanderungszeit. Da wären wir beim Thema Alternative für Deutschland. Wäre Kaiser Justinian dereinst abgewählt worden und die AfD hätte den Thron bestiegen, dann wären die Völker postwendend abgeschoben worden.

Ebenfalls aus dem sechsten Jahrhundert - diesmal allerdings vor Christi - stammt eine bekannte Redewendung. Die hat sich aus der Fabel des Dichters Äsop "Der Fuchs und die Trauben" entwickelt. Darin versucht ein Fuchs vergeblich, an Weintrauben heranzukommen, die über ihm wachsen. Als er sie nicht erreichen kann, tut er so, als wolle er sie eh nicht. "Sie sind mir sowieso noch zu sauer", sagt er.

Mancherorts fühlt man sich an die Fabel erinnert. An einem kahlen Laternenmast hängt einsam und allein in bestimmt sechs Meter Höhe etwas, das sich mit bloßem Auge kaum noch erkennen lässt. Es sind keine Trauben, es ist ein Wahlplakat. Die Plakatierer müssen mit einer langen Leiter oder einer Hebebühne angerückt sein. Deren Kandidat wirbt also Auge in Auge mit den Baumwipfeln um Erst- und Zweitstimmen. Auf Augenhöhe mit dem Wähler wollte er gar nicht sein. Vor allem wollte er außerhalb der Griffweite sein. Denn allzu oft verschwindet andernorts der AfD-Schriftzug unter Smileys oder anderen ausgefuchsten Aufklebern. Oder die kompletten Plakatständer bekommen Beine. Dann lieber die sauren Trauben ganz hoch hängen ...

© SZ vom 02.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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