Süddeutsche Zeitung

Mitten in der Region:Müsli und die erste große Liebe

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Müsli, jene Australian-Shepherd-Hündin, die schon so viel erlebt hat, hatte Geburtstag

Kolumne von Nicole Graner

Es war soweit. Müsli, jene Australian-Shepherd-Hündin, die schon so viel erlebt hat, hatte Geburtstag. Nein, es gab keinen Kuchen und auch kein überbordendes Duziduzi. Eigentlich war es ein Tag wie jeder andere auch mit zwei Höhepunkten vielleicht: zwei Stunden toben, schwimmen, durchs Unterholz flitzen. Außerdem wurde ein großer Knochen versteckt, den Müsli suchen musste - und trotz langer Kauorgie noch immer nicht kleingekriegt hat.

Was für ein Jahr mit diesem quirligen Fellbündel! Was für ein schönes! Anstrengend war nur eines: Während ihrer Läufigkeit spazieren gehen, was heißt spazieren gehen? Eher ein Spießrutenlauf, um sich dem Ansturm liebestoller Rüden zu entziehen. Man geht die abwegigsten Wege zu den außergewöhnlichsten Gassizeiten. Das Gute daran: Müsli kann seitdem viel besser an der Leine gehen und ist ruhiger.

Überhaupt ist sie tatsächlich eine kleine Dame geworden. Will nicht mehr mit jedem Hund spielen. Die ganz Kleinen werden keines Blickes mehr gewürdigt, zickige Damen lässt sie links liegen und nur wenige sind auserkoren, mit ihr durch die Wiesen zu sausen. Denn eigentlich kann es nur einen geben: Sammy. Der fast gleichaltrige, schwarze Labradormischling von gegenüber ist ihr großer Freund. Betonung auf "ihr". Denn eifersüchtig wacht sie über seine Zuneigung - wie Sammy auch über die ihre. Bellt der eine im Nachbarhaus, antwortet der andere. Und stundenlang wird am Zaun gewartet, ob sich Sammy nicht doch zeigt. Sagt man nur leise Sammy, saust sie zur Tür und weiß, jetzt kann es sich nur noch um ein paar Minuten handeln, jetzt sieht sie ihn gleich. Dann gibt es kein Halten mehr, nur noch die große Verknäuelung auf der Straße. Sanft wird sich geknaufelt, ein bisschen gezwickt. Es werden die Pfoten übereinandergelegt, und manchmal sieht es so aus, als ob sie gleich zu tanzen beginnen würden. Es wird gekuschelt und geknurrt und gefetzt. Es wird sich der Stock geteilt: Sammy am einen, Müsli am anderen Ende. Es wird zusammen aus dem Napf getrunken.

Die Menschen erfreuen sich an dieser Hundefreundschaft, bleiben sogar stehen und schauen. "Wie süß sind die beiden!", heißt es oft. Neuerdings geht Müsli mit Erlaubnis von Sammy-Frauchen übrigens ihren Freund schon vor der Wohnungstür abholen. Ob diese Sandkastenliebe halten wird? Vor allem dann, wenn man die beiden bei der nächsten Läufigkeit von Müsli trennen muss. Wird die Liebe die Trennung überdauern? Aber bis dahin gibt es nur eine Devise: So oft es geht, Zeit miteinander verbringen.

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Quelle:
SZ vom 05.08.2020
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