Ob der Fortschritt schädlich oder nützlich sei, wurde noch nicht abschließend entschieden, hängt aber vom Betrachter ab. Während pessimistische Charaktere zu Ersterem neigen und Optimisten zu Letzterem, findet sich der Realist irgendwo dazwischen - und Belege für seine Ansicht im Straßenverkehr. Der ist durch den technischen Fortschritt - Airbags, Sicherheitsgurte, verbesserte Bremsen, Alarmsensoren und vieles mehr - so sicher geworden wie nie. Einerseits. Andererseits macht die Technik diesen Gewinn an Sicherheit selbst zunichte, wie ein Beispiel aus einer beliebigen Straße in der Region zeigt.
Beim Einbiegen in eine doch eher ruhige Nebenstraße zeigt sich der Vorteil moderner Bremssysteme. Unverzüglich kommt der Wagen zum Stehen - was allerdings nur nötig ist, weil ein anderes Stück Technik für Risiko sorgt: das Telefon in der Hand des aufmerksam kommunizierenden, aber um so unaufmerksamer auf die Straße springenden Fußgängers. Einige Meter weiter ist dann die Präzisionslenkung gefragt, wie anders könnte man der wild im Zickzack vor einem herumkurvenden Radlerin ausweichen. Der wirre Fahrstil erklärt sich mit dem technischen Gerät, das sie vor sich hält. Vermutlich muss sie gerade wichtige Nachrichten schreiben, was aber offenbar am besten gelingt, wenn dabei laute Musik gespielt wird, was einen die Idee des Einsatzes der ebenfalls sicher sehr modernen Hupe wieder verwerfen lässt.
Für die weiteren Besorgungen steigt man lieber auf ein langsameres Verkehrsmittel um. Radelnd ist den Technik-Zombies eher auszuweichen. Und da ist schon einer, schlafwandlerisch tritt der junge Mann zwischen den geparkten Autos auf die Straße, den Blick gebannt auf etwas in seiner Hand geheftet, auf das im Vorbeiradeln ein ungläubiger Blick fällt - es ist tatsächlich ein Buch.