Süddeutsche Zeitung

Mitten in der Region:Die Kraft der Nuss

Wer sich gelegentlich die Apotheken-Rundschau zu Gemüte führt, um trotz eines zugegeben ungesunden Lebenswandels halbwegs über die Runden zu kommen, kennt die heilbringende Kraft der Nuss. Eichhörnchen wissen das

Kolumne von Berthold Neff

Chip und Dale waren zwei von der Walt Disney Company erschaffene Backenhörnchen, die bereits 1943 den Hund Pluto und danach vor allem Donald Duck ärgerten. In Deutschland hat man sie kurz darauf als Ahörnchen und als Behörnchen ihrem Schabernack nachhüpfen lassen, doch als die Fernsehproduzenten merkten, dass mit solchen Trickfilmserien kaum noch Quote möglich war, entließ man sie in die Freiheit.

Seitdem kann man von der Terrasse aus bequem ihr Treiben beobachten. Wie sie einen fünf Meter weiten Sprung wagen. Wie sie an Wänden hoch- und kopfüber wieder runterklettern. Wie sie dreist zur Selbstbedienung im Vogel-Futterhaus greifen und sich an der Kasse vorbeimogeln. Und wie sie mit vorbildlichem Fleiß Nuss um Nuss sammeln, um auch im Winter versorgt zu sein.

Wer sich gelegentlich die Apotheken-Rundschau zu Gemüte führt, um trotz eines zugegeben ungesunden Lebenswandels halbwegs über die Runden zu kommen, kennt natürlich die heilbringende Kraft der Nuss. Ihr regelmäßiger Verzehr kann jene Hirnwellen stärken, die unsere geistigen Fähigkeiten befördern, insbesondere das Gedächtnis. Insofern wundert es einen schon, wie vergesslich das Eichhörnchen-Pärchen ist, das mit einer Wal- oder Haselnuss im Maul herumturnt, immer auf der Suche nach einem guten Versteck. Sie buddeln ihre Beute in Beete und Blumenkästen, in den Rasen und in Schotterflächen und verlieren dann den Überblick. Im Jahr danach sprießt ein Walnussbaum aus einer vergessenen Schale und verdrängt die Tagetes, während sich mehrere Haselnusssträucher aus dem Unkraut im Rasen emporwinden. Das fördert zwar die Artenvielfalt, setzt dem gärtnerischen Gestalten aber klare Grenzen.

Was die Eichhörnchen natürlich nicht wissen: Nicht alle Nüsse stärken das Gehirn. Es sind vor allem die Pistazien, deren Verzehr die Gammawellen anregt, die man zur Speicherung von Informationen benötigt. Und wie kommt ein deutsches Eichhörnchen an Pistazien? Man muss sie ihnen aus dem Supermarkt mitbringen. Falls man es nicht vergisst.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4572831
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.