Mitten in der Region:Der Schultütenreport

Die Weihnachtsvorbereitungen sind gar nichts gegen die Befüllung von Schultüten

Von WOLFGANG PROCHASKA

Es geht das Gerücht um, dass die Adventszeit das Härteste für Eltern sein soll. Das ist ein großer Irrtum. Man kann gelassen den Dezembertagen entgegenblicken, denn der Weihnachtszettel der lieben Kleinen ist im Grunde Jahr für Jahr der gleiche, seit die Welt des Digitalen Einzug in die Kinderzimmer gehalten hat. Alle zwölf Monate taucht daher in hübscher Regelmäßigkeit das neue Smartphone auf, das sich seltsamweise immer die weibliche Nachkommenschaft wünscht, während der männliche Teil irgendetwas von GTA und von Racing brummt, Genaueres kommt zwischen seinen Zähnen nicht durch, wäre ja auch uncool, Alter.

Das alles sind nette Petitessen gegen jenen Vorgang, der sich Einschulung nennt. Seit Wochen sind Mutter und Vater damit beschäftigt, eine Schultüte zu kreieren, die wirklich allen Ansprüchen gerecht wird und dem Jüngsten beziehungsweise der Jüngsten gefällt. Das Basteln mitten in der Sommerzeit beginnt mit einem Schultüten-Rohling, der in einem Kurs, den es zu belegen gilt, mit hübschen Motiven beklebt werden soll. Natürlich darf der Name des glücklichen Schulanfängers nicht fehlen. Also werden Moosgummi-Stücke und dergleichen, die alle später Blümchen oder Autos ergeben sollen, fleißig ausgeschnitten; werden naturnahe Stoffe mit einem naturnahen Klebstoff aufgetragen, bis die Schultüte so bunt ist wie einst der Sommer, als die Eltern in die erste Klasse kamen. Damals bastelten deren Erziehungsberechtigte aber nicht Tüten, sondern kauften sie, füllten sie mit viel Papier und legten ganz oben eine Tafel Schokolade drauf. Die Tüte konnte auch das kleine Kind tragen. Jetzt werden sie so schwer befüllt, dass kein einziger Schulanfänger sie mehr tragen kann - dafür sind jetzt auch die modernen Eltern da.

Die große Frage, die vorher aber beantwortet werden muss, lautet: Was kommt alles in die Schultüte? In diesen Tagen gibt es wunderbare Vorschläge, die vor allem von den Lebensmittelfirmen kommen. Von "bunten Bio-Köstlichkeiten" ist die Rede, als litten die Kleinen unter Vitaminmangel. Die Nachbarin mahnt, nur pädagogisch Wertvolles in die Tüte zu stecken, die Großeltern bestehen unbedingt auf Spielzeug - ach, ist Weihnachten schön.

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