Mitten in Dachau:Zweierlei Maß im Stadtrat

Wer eine Baugenehmigung bekommen kann, entscheiden Gesetze. Oder die Stadträte. Manchmal scheint es auch zu helfen, zu einer bestimmten Fraktion zu gehören

Von Viktoria Großmann

Zwischen Innen und Außen zu unterscheiden ist manchmal schwieriger, als man denken möchte. In einem Bauausschuss stehen dafür die Zahlen 34 und 35. Auf der einen Seite (Paragraf 34) darf gebaut werden, auf der anderen (Paragraf 35) nicht. Die Grenze verläuft zum Beispiel quer über den steilen Abhang hinter Hörhammer, Altstadtgalerie und ehemaligem Café Brüller. Aber wo genau und muss die gerade da entlang verlaufen, kann die nicht mal um einen oder auch zehn Meter versetzt werden? Und warum übertritt das Nachbarhaus die Linie und das andere soll das nicht dürfen? Abschließend klären kann so etwas die Bezirksregierung oder ein Gericht. Wenn sie denn gefragt werden.

Bei aller Strenge der deutschen Gesetze gilt auch: Der Bauausschuss entscheidet, wer was wo bauen darf und zieht dabei gerne eigene Grenzen zwischen innen und außen. Oder vielleicht auch zwischen Wir und Die. Nun wurde im Bauausschuss das Anliegen behandelt, in Pellheim ein Wohnhaus bauen zu dürfen. Im Luftbild zeigt Pellheim eine klare Linie zwischen Bebauung und Acker. Es ist einer der wenigen Fälle, in der die Bestimmung von Außen- und Innenbereich sich mit der Wahrnehmung des gesunden Menschenverstandes deckt. Das beantragte Haus: Im Feld. Allerdings: Da steht etwas weiter noch ein Haus allein im Acker. Warum soll man den neuen Antrag nicht genehmigen, wenn der Nachbar früher auch bauen durfte?

Nun erinnern sich einige, dass das 2008 schon gesetzeswidrig war. Wird es richtig dadurch, dass man das Gesetz erneut ignoriert? Für ein Einfamilienhaus? "Wir tun etwas für die nachwachsende Generation und stimmen dafür", sagt CSU-Stadträtin Gertrud Schmidt-Podolsky. Ein Haus mit vier bis fünf bezahlbaren Mietwohnungen am Altstadthang hinter dem Café Brüller war nur eine Stunde zuvor verhindert worden. Beantragt hatte es der Ehemann der Bündnis-Stadträtin Sabine Geißler. Stadtratsältester Günter Heinritz (SPD) mahnt: "Wir können uns nicht immer über die Rechtslage hinweg setzen." Und der Grüne Thomas Kreß ist hin- und hergerissen in der moralischen Frage, ob nicht den Kleinen zugestanden werden muss, was oft genug den Großen gewährt wird. Gleiches Recht und gleiches Unrecht für alle quasi. Doch Kreß stimmt für Außenbereich. Die CSU und vier weitere Stadträte entscheiden kraft ihrer Mehrheit: Wir machen den Außenbereich zum Innenbereich und somit wächst Pellheim ins Feld. Eingereicht hatte den Antrag CSU-Stadtrat Benedikt Hüller.

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