Mitten in Dachau:Wenn der letzte Redner spricht

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Die Metzgerinnung diskutierte kürzlich gewichtige, ja existenzielle Fragen kontrovers. Danach war die Luft raus. Und der Vertriebsmitarbeiter, der rhetorisch gewandt seine Produkte anpries, konnte einem leid tun

Kolumne von Felix Wendler

Der Letzte zu sein bereitet in der Regel keine besondere Freude. Kein Schüler wird im Sportunterricht gerne als Letzter ins Team gewählt. Niemand prügelt sich beim Konzert um die Plätze in der letzten Reihe. Und vor allem hält niemand gerne den letzten Vortrag bei einer abendfüllenden Veranstaltung. Erst recht nicht, wenn zuvor die großen Fragen behandelt wurden und das eigene Thema eher mäßig spannend wirkt.

Dieses Gefühl musste auch der junge Mann ertragen, dessen Präsentation über die Vorzüge von Schockfrostern unglücklicherweise auf dem letzten Platz der Tagesordnung landete. Die Metzgerinnung hatte sich in Dachau getroffen und gewichtige, ja existenzielle Fragen kontrovers diskutiert. Danach war die Luft raus. Bereits der vorletzte Redner des Abends hatte spürbar zu kämpfen, das bereits deutlich gelichtete Publikum von den grandiosen Eigenschaften der Steinsalze zu überzeugen - über die übrigens nur Ketzer behaupten würden, dass sie sich geschmacklich nicht vom gemeinen Siedekochsalz unterscheiden.

Jedenfalls musste nun dieser engagierte Vertriebsmitarbeiter versuchen, seine Produkte anzupreisen. Dabei gab er sich alle Mühe. Eine hübsche Präsentation hatte er mitgebracht. Auch rhetorisches Talent war zweifelsohne zu erkennen. Einzig das Publikum spielte nicht mit. Während also der bemitleidenswerte Redner über verschiedene Varianten der Schockfrostung und die Überlistung von Wasserstoffmolekülen monologisierte, lag der Fokus an den Tischen bereits bei Speis (erstaunlich viele Salate!), Trank und Ratsch. Selbst von den Spezialrabatten für die Kollegen der Metzgerinnung ließ man sich nicht locken.

Ob der Vortrag für mehr Enthusiasmus gesorgt hätte, wenn der Letzte, getreu dem Sprichwort, der Erste gewesen wäre, bleibt fraglich. Trotz seines unglücklichen Loses konnte der Schlussredner dieses Abends zumindest in jenem Punkt überzeugen, den so viele seiner Leidgenossen geflissentlich ignorierten: Er fasste sich kurz.

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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