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Mitten in Dachau:Was tragen Sieger?

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Einheitstrachtenjanker oder Einheits-Martin-Schulz-Bart: Worauf kommt es in der Mode an, wenn man es in der Politik ganz nach oben schaffen will? Kleine Stilfibel für Landkreispolitiker

Von Wolfgang Eitler

Zwei S-Bahnszenen: Ein junger Mann aus einem afrikanischen Land strahlt in der S 2 Richtung Petershausen an sich selbst herunter. Er ist ganz in Beige gekleidet und trägt stolz das Logo jener Firma aus dem Gewerbegebiet von Bergkirchen, in der auch der Akademiker seinen Freizeit-Handwerker-Look erwirbt. Er kommt von der Arbeit, was seine Hände verraten, und fühlt sich offenkundig angekommen. Der ungefähr 40-Jährige am Dienstagmorgen am Bahnhof von Röhrmoos signalisiert hingegen seine selbstverständliche Zugehörigkeit zu Bayern mit Janker, Hut aus grobem Filz und Laptop.

Wie auch Katrin Staffler im Herbst vergangenen Jahres. Damals trat sie gegen den Dachauer CSU-Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat, Florian Schiller, um die Nachfolge von Gerda Hasselfeldt als Kandidatin für den Bundestag an. Sie demonstrierte ihre Nähe durch ein klassisches Etui-Kleid, wie es die CSU-Landesgruppenchefin bei öffentlichen Auftritten bevorzugt. Auf der CSU-Ortsversammlung kürzlich in Dachau hingegen präsentierte sich Katrin Staffler in schwarzer Hose zum knapp geschnittenen Blazer. Statt der pastellfarbenen Töne des neuen politischen Vorbilds bevorzugt sie ornamentale Stoffmuster. Trotzdem ist bei ihr die Kleidung bereits politisches Programm.

Der Trachtenjanker am vergangenen Sonntagabend in Hilgertshausen-Tandern war es auch: Das Team um den neuen Bürgermeister Markus Hertlein mit Vorgänger Johann Kornprobst (CSU) und Landrat Stefan Löwl (CSU) gab sich als Einheit aus. Sieger tragen Janker. Der Verlierer kam im dunkelblauen Jackett.

Dieses Bild ließe sich in eine philosophisch aktuelle Debatte einbinden. Deren zentrale Frage lautet: Sind wir noch Individuen oder nicht Teil eines Diskurses aus Mustern, der uns die Einmaligkeit bloß suggeriert? Allerdings wirken Angela Merkel und Martin Schulz, modemäßig betrachtet, deswegen einmalig individuell, weil sie solch grundlegende Fragen über Zeichen und Zugehörigkeit anscheinend grob vernachlässigen.

Insofern erübrigt sich für die Dachauer SPD glücklicherweise die Frage, ob sich das Trio, bestehend aus Michael Schrodi, der in den Bundestag einziehen will, dem Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann und dem Landtagsabgeordneten Martin Güll, einen Schulz-Bart quasi als vorgezogene Siegergeste wachsen lassen sollten. Güll hat eh schon einen, allerdings einen bayerisch-bärbeißigen. Der ist ebenfalls ziemlich individuell. Hiermit erklärt sich dieser Diskurs für hinfällig.

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Quelle:
SZ vom 22.03.2017
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