Mitten in Dachau:Von Kindern und Kälbern

Bauvorschriften gleichen immer mehr Satire. In Mitterndorf soll ein Kindergarten als Geruchswall ein Wohngebiet vor den Düften eines nahen Kuhstalls schützen

Kolumne von Viktoria Großmann

Wohnen ist kompliziert. Denn meistens hat man Nachbarn. Das Zusammenleben ist geprägt von Lärm, Gerüchen, offen gelassenen Haustüren, falsch genutzten Mülltonnen und im Weg stehenden Fahrrädern. Nachbarschaftsstreitereien gehören zu dem, was die Gerichte am meisten beschäftigt. Vielleicht ist deshalb der Gesetzgeber auf die Idee verfallen, bei Neubauten alles so regeln zu wollen, dass am Ende keiner mehr dem anderen auf die Nerven geht. Das funktioniert natürlich nicht und führt zu dem von Bauherren häufig geäußerten Satz: "Dann darf ja gar nichts mehr gebaut werden."

Es muss aber sein, und so stellt sich auch die Stadt Dachau der Herausforderung der Bauvorschriften. In Mitterndorf sollen auf dem Gelände der ehemaligen griechischen Schule ein Kindergarten und Wohnhäuser entstehen. Das Dorf trifft hier ziemlich unvorbereitet auf die Stadt, die immer näher rückt. Da, wo die Stadt am Rande dörflich wird, lebt ein Bauer. Ein richtiger Bauer mit Feldern und Kühen. Der möchte etwas für seinen Nachwuchs tun und einen Kälberstall errichten. Die Stadt wird ihm das erlauben. Sie hat jetzt aber ein Problem mit den Wohnungen, die sie daneben errichten will. Zuzüglern darf man laut Baugesetzbuch den Stallgeruch der neuen Umgebung nicht zumuten. Das Gebiet muss nicht nur von Lärm, sondern auch von Geruch abgeschirmt werden. Diese Funktion soll der Kindergarten übernehmen. Das Gebäude soll die tierischen Ausdünstungen so abfangen, dass die Leute in den Wohnhäusern weniger belästigt werden. Eine gemütliche Vorstellung.

Man könnte ja praktischerweise in den Zimmern Richtung Bauernhof Windelräume und Toiletten unterbringen, schlägt Oberbürgermeister Florian Hartmann in der Bauausschusssitzung vor. Da trifft Geruch auf Geruch. Diese Räume sind nach Westen ausgerichtet, was romantisches Wickeln bei Sonnenuntergang verspricht. Vielleicht könnten auch einfach die Fenster geschlossen bleiben. Wahrscheinlich müssen sie das auch. Denn, wie einer der Fachleute anmerkt, nach der Energieverordnung ist es kaum noch möglich, ein Haus zu bauen, in dem ein Mensch nach Gutdünken ein Fenster öffnen darf. Die Stadträte finden es nicht so lustig wie es klingt. Vielleicht finden sie beim Stöbern in den Paragrafen ja noch einen, der es erlaubt, Bauernhof-Kindergärten zu errichten. Naturerlebnis inklusive. Stallgeruch wäre dann Vorschrift.

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