Mitten in Dachau:Streithansl im Schloss

Nach Ansicht mancher Rechthaber sind Regeln einzuhalten - egal wie unsinnig sie in der jeweiligen Situation sind

Kolumne von Walter Gierlich

Wir Deutschen gelten ja gemeinhin als Volk sturer Streithansl, Rechthaber und Besserwisser. Damit sind jetzt aber nicht die Kabbeleien um die Nachfolge Horst Seehofers gemeint, die nur äußerlich so friedlich endeten, dass man meinen könnte, der Noch-Ministerpräsident und sein designierter Nachfolger Markus Söder wären immer schon die dicksten Freunde gewesen. Es geht auch nicht um den derzeitigen Zwist innerhalb der Sozialdemokratie über den Koalitionsvertrag mit den Unionsparteien. Solche Diskussionen sind im Gegenteil in der Demokratie sinnvoll und notwendig.

Nein, die anfangs angesprochene Behauptung über uns Deutsche meint eher jene Fälle, die allenfalls Kopfschütteln hervorrufen, wenn darüber in Zeitungsmeldungen zu lesen ist. Wenn Nachbarn beispielsweise einen Rechtsstreit über mehrere Instanzen ausfechten, nur weil der Ast eines Baumes über die Grundstücksgrenze hinausreichte und der dortige Eigentümer ihm in einer Art Selbstjustiz mit der Kettensäge zu Leibe rückte. Oder wenn zwei Autofahrer, wie erst vor wenigen Wochen in Murnau, 50 Minuten lang eine Straße an einer Engstelle blockierten, weil keiner von beiden nachgeben und ein Stück zurückstoßen wollte. Erst als nach fast einer Stunde die Polizei anrückte, konnte sie die Blockade beenden. Man kann nur hoffen, dass der ihnen wegen uneinsichtigen Verhaltens aufgebrummte Verkehrsunterricht den Sturköpfen eine Lehre sein wird. Dann gibt es noch jene berüchtigten Hilfssheriffs, die den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun haben, als im Umfeld ihrer Wohnung auf Parksünderjagd zu gehen und täglich mit den gesammelten Autonummern von Fahrzeugen, die falsch oder länger als zulässig abgestellt waren, den Beamten der Polizeiinspektion Dachau auf die Nerven zu gehen.

In diese Kategorie gehört auch ein Besucher des jüngsten Dachauer Schlosskonzerts. Wohl bedingt durch arktische Kälte und die grassierende Grippewelle sind eine Menge Plätze freigeblieben. Als sich ein junger Mann von einem Stuhl mit schlechter Sicht auf einen leeren weiter vorne setzte, erhielt er einen dermaßen scharfen Rüffel des Hintermanns, dass er erschrocken auf seinen ursprünglichen Platz zurückkehrte. Er hätte niemandem geschadet und keinen gestört, doch nach Meinung mancher Rechthaber sind Regeln einzuhalten, egal wie unsinnig sie in der jeweiligen Situation sein mögen.

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