Süddeutsche Zeitung

Mitten in Dachau:Rosinenschnecken vom Aussterben bedroht

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Landrat Stefan Löwl hat die rundliche Mehlspeise bisher selten im Landkreis gefunden. Nun hat sich die Bäckerei Konditorei Denk dieses Missstandes angenommen und Rosinenschnecken mit zwei unterschiedlichen Füllungen angeboten.

Glosse von Edgar Subak, Dachau

Angeblich kommt die Rosinenschnecke in den heimischen Gefilden des Landkreises Dachau nicht mehr oft vor. Das raue Klima hinter den Vitrinen so mancher Konditorei lässt in vielen Fällen keinen Platz mehr für die runde, flache Mehlspeise. Ob die aggressive Ausbreitung des Zwetschgendatschis oder die gemeine Quarktasche die liebliche Rosinenschnecke vertrieben hat, kann die Wissenschaft leider nicht beantworten.

Landrat Stefan Löwl ist jemand, der diese Entwicklung genau beobachtet. Am Rande der letzten Freisprechungsfeier, die das Ende der Handwerker-Lehre markiert, hat sich der Politiker kein Blatt vor den Mund genommen und es ganz offen ausgesprochen: Er finde nur ganz selten die von ihm geliebte Rosinenschnecke. Viele stimmten ihm zu. Dabei wurde auch Bäckerin und Innungsmeisterin Nicole Schön hellhörig. War das die Chance, Rosinenschnecken wieder im Dachauer Land zu beheimaten? War das der Ruf, auf den alle heimlich so lange gewartet haben? Sie zögerte nicht. Süße Teigrollen wurden zu Schnecken geformt, Rosinen oben drauf, Füllung rein, ab in den Ofen. Nicole Schön von der Bäckerei Konditorei Denk verhalf gleich zwei eng verwandten Schneckensorten zur heimischen Wiedergeburt: die erste mit Quarkfüllung, die zweite mit Pudding.

Der Volksvertreter Stefan Löwl schreibt nun in sozialen Medien: "Gemeinsam mit Kreisrat und Brauchtumsexperte Robert Gasteiger (der zufällig beim Einkauf vor Ort war) durfte ich die beiden Varianten testen." An dieser Stelle muss man sich vorstellen, wie das Testen möglicherweise über die Bühne gegangen ist: Vor die beiden Politiker wird ein Blech mit eng aneinander liegenden Rosinenschnecken abgestellt. Die Schnecke liegt gut in der Hand, wird zum Mund geführt, das Abbeißen erfolgt ungefähr so wie beim Burger-Essen, die Konsistenz wohl weich bis zart knusprig. Der süße gebackene Teig in Verbindung mit den Rosinen und der Füllung bespielen die Geschmacksknospen. "Beide Rosinenschnecken sind SUPER" ist auf Löwls Facebook-Profil zu lesen. Es ist geschehen. Die Wiederkehr der Rosinenschnecke ist geglückt. Löwl und Gasteiger lassen sich wie bei einem Staatsbesuch in der Konditorei Denk ablichten. Im Bild ist Löwl mit halboffenem Mund zu sehen, wie er behände die Schnecke zu sich führt. Gasteiger hält seine Schnecke mit beiden Händen andächtig vor dem Bauch.

Die Begeisterung breitet sich aus wie ein Lauffeuer. Auf sozialen Medien finden sich nun Fotos, auf denen Menschen aus dem Landkreis Dachau Rosinenschnecken in die Kamera halten. Nur ein Beobachter findet die Angelegenheit problematisch: "Ich hätte gerne Franzbrötchen und niedersächsischen Zuckerkuchen. Leider bin ich kein Landrat."

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