Süddeutsche Zeitung

Mitten in Dachau:Nieder mit der Bürokratie

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Warum das Jugendamt gerne auf 7680 Euro jährlich verzichtet

Von Petra Schafflik

Eltern müssen sich finanziell an der Kinderbetreuung beteiligen. Für Kitas erheben die Kommunen oder freien Träger monatliche Gebühren. Und für die vom Jugendamt organisierten Tagesmütter wird zu Beginn jedes Betreuungsjahres ein Bescheid verschickt. Allerdings nur, weil die Dachauer Behörde kulant ist. Nach den Buchstaben des Gesetzes müsste das Jugendamt an jede einzelne Familie dreimal jährlich neue Bescheide versenden. Jeweils mit marginal unterschiedlichen Beträgen.

Und das kommt so: Grundlage für die Tagesmütter-Gebühr ist ein sogenannter "Basiswert" für Kinderbetreuung, den der Freistaat jährlich nach oben anpasst. Allerdings nicht rechtzeitig vor Beginn des Betreuungsjahres im September, sondern im Dezember für das folgende Kalenderjahr. Zumindest vorläufig. Endgültig fixiert wird der Wert später rückwirkend. Korrekt wäre nun, Eltern beispielsweise im September 2014 einen ersten Gebührenbescheid zu senden. Im Dezember würde dieser Bescheid aufgehoben, ein neuer für 2015 verschickt - mit dem vorläufigen Basiswert. Was sie tatsächlich für ihre Tagesmutter bezahlen, wüssten Eltern dann immer noch nicht. Erst 2016, ihr Kind ginge vielleicht längst in den Kindergarten, käme ein dritter Bescheid mit den endgültigen Kosten und einer Nachforderung ins Haus.

Ein Wahnsinn, den das Dachauer Jugendamt nicht mitmacht. Allein der Verwaltungsaufwand wäre höher als der finanzielle Gewinn, erklärte Jugendamtsleiter Ulrich Wamprechtshammer im Jugendhilfeausschuss. Denn der Basiswert steigt zwar von Jahr zu Jahr, aber nur um geringe Beträge, im Durchschnitt acht Euro je Kind und Jahr. Bei 120 Kindern in der Tagespflege gehen dem Landkreis also gerade einmal 7680 Euro jährlich flöten. "Entbürokratisierung auf unterster Ebene", nannte Landrat Stefan Löwl (CSU) die Strategie des Jugendamts. Die der Jugendhilfeausschuss dennoch billigen musste, weil der Kreis freiwillig auf Geld verzichtet. Doch die Zustimmung des Gremiums war Formsache, niemand wollte das "Bürokratie-Monster" (Löwl).

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Quelle:
SZ vom 28.05.2015
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