Mitten in Dachau:Nett, netter, Dachau

Der Dachauer Oberbürgermeister kümmert sich um seine Bürger. Nun gestattet er ihnen sogar, die städtischen Obstbäume zu plündern.

Kolumne von Viktoria Großmann

Die Stadt Dachau kümmert sich um ihre Bürger. Und sie versucht auch, dieses Kümmern möglichst gleichmäßig auf die verschiedenen Interessengruppen zu verteilen. Weiht gleichermaßen Spielplätze wie Kneippanlagen oder barrierefreie Bushaltestellen ein, baut Radlparkhäuser und Sommerstockbahnen, stellt Poller auf, um selbst in Kleinststraßen Lärm durch Raser zu verringern und kümmert sich um ansprechende Grünanlagen. In diesen Herbsttagen ist festzustellen, dass die kleine Holzbrücke an der Langhammerstraße mit einem neuen Belag versehen wurde, sodass man dort bei Nässe nicht so schnell ausrutscht. Das ist wirklich nett.

Im Rennen um die liebenswürdigste Stadt überhaupt, legt der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) jetzt noch eins drauf. Er fordert in einer öffentlichen Bekanntmachung die Bürger Dachaus auf, die städtischen Obstbäume zu plündern. Und zwar gründlich. "In den Straßen Theodor-Heuss-Straße, Langwieder Straße und Eduard-Ziegler-Straße und bei den Streuobstwiesen am Kräutergarten und in der Gröbenrieder Straße gibt es zahlreiche Obstbäume, die sich derzeit unter der reifen Last biegen", teilt er mit. Er möchte die Einwohner daran erinnern, dass sie sich "hier frei bedienen können". Für die oberen Äste darf ein Obstpflücker eingesetzt werden. Schließlich weist er auf die von einer Berliner gemeinnützigen GmbH betriebene Internetseite mundraub.org hin. Deren Mission in eigenen Worten: "Mundraub verbindet Menschen mit Obstbäumen." Wer also einen für die Öffentlichkeit frei gegebenen Obstbaum kennt, meldet ihn dort.

Wenngleich Hartmann noch nicht selbst in die Zweige klettert und sich die Taschen voller Obst stopft, um es dann auf der Straße zu verschenken, erringt er sich so bereits in jungen Jahren den Ruf eines Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, der freigiebig seine Birnen verteilte. Ob Hartmann wie Ribbeck bereits über die Obstversorgung der Bevölkerung jenseits seiner Amtszeit nachdenkt, ist nicht bekannt. Lieber tut er alles dafür, um noch lange nicht über ein Leben als Alt-OB nachdenken zu müssen.

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