Mitten in Dachau:Längst ein Massenspektakel

Die Stadt verschärft die Sicherheitsvorschriften für das Volksfest. Da muss auch das Brauchtum Federn lassen

Von Robert Stocker

Die große Dachauer Malerin Paula Wimmer hat das örtliche Volksfest auf einigen Bildern dargestellt. Die Werke entstanden in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und halten die Atmosphäre eines Jahrmarkts fest, auf dem es noch beschaulich und gemütlich zuging. Wimmer, von ihren Zeitgenossen etwas abschätzig "Malweib" genannt, verstand es meisterhaft, die damalige Idylle auf der Ludwig-Thoma-Wiese einzufangen. Ein Karussell, ein Riesenrad und ein paar Menschen, die zwischen den bunten Buden flanieren. Das Volksfest wird auf das Charakteristische reduziert, viel mehr gab es damals ohnehin nicht zu sehen. Doch das reichte, um die Besucher in seinen Bann zu ziehen.

Leuchtende Kinderaugen gibt es auf dem Dachauer Volksfest immer noch. Doch die Traditionsveranstaltung ist heute ein Massenspektakel, das 300 000 Besucher aus der gesamten Region anlockt. Verändert hat sich aber nicht nur die Dimension des Festes; auch die Rahmenbedingungen sind anders geworden. Die allgegenwärtige Terrorgefahr führt dazu, dass das Sicherheitskorsett fürs Volksfest immer enger wird. An den Eingängen zur Ludwig-Thoma-Wiese werden die Taschen der Besucher kontrolliert, Rucksäcke sollen am besten zu Hause bleiben. An den Zufahrten zum Volksfest wird es heuer Verengungen geben. Polizei und Feuerwehr sperren die Strecke für den Kinderfestzug ab. An der Kreuzung Münchner-/Bahnhofstraße werden Einsatzfahrzeuge aufgestellt, die verhindern sollen, dass Autos oder Lastwagen in die Kreuzung preschen. Eine Konsequenz aus den Terroranschlägen von Nizza oder Berlin. Doch heuer haben die Sicherheitsvorkehrungen auch für das Brauchtum Folgen: Wer in seiner Lederhose einen Hirschfänger stecken hat, muss ihn bei den Eingangskontrollen abgeben.

Natürlich ist das irgendwie konsequent. Besucher dürfen auf dem Volksfest keine Waffen mit sich führen. Und dazu gehören eben auch Hirschfänger, die ein fester Bestandteil der Trachten sind. Früher dienten sie als Besteck für die Brotzeit, die ein Bauer auf der Fahrt zu seinen Verwandten im Nachbardorf oder auch bei der Feldarbeit machte. Manchmal wurden die Messer auch im Wirtshaus oder bei alkoholtriefenden Festen gezückt, wenn zwei Mannsbilder in einen handfesten Streit gerieten. Vielleicht ist es deshalb wirklich besser, wenn Trachtenliebhaber die Messer nicht auf dem Volksfest tragen. Das Fest ist ohnehin nicht mehr die kleine Idylle, wie sie auf den Bildern von Paula Wimmer zu sehen ist. Da muss auch das Brauchtum Federn lassen.

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