Süddeutsche Zeitung

Mitten in Dachau:Im Takt der Parkuhr

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Warum die Parksituation in der malerischen Altstadt die Romantik geradezu erstickt

Von Benjamin Emonts

Wenn draußen die Sonne strahlt und der Föhn über das Alpenvorland weht, erblickt man durch die Fenster des Dachauer Amtsgerichts ein majestätisches Panorama. Staatsanwälte und andere Beteiligte, die für die Verhandlungen nach Dachau kommen, wissen den atemberaubenden Ausblick durchaus zu schätzen - nicht selten hört man sie sagen: "Mei, habt ihr es schön hier."

Bis die Auswärtigen merken, dass es vielleicht doch gar nicht so komfortabel hier in Dachau ist, dauert allerdings meist nicht lange. Denn wie so oft, hat auch in Dachau das vermeintlich Schöne einen Haken: die Parksituation. Gutachter und Anwälte, die jüngst an einem Prozess am Amtsgericht teilnahmen, haben dies am eigenen Leib zu spüren bekommen. Da die zulässige Parkdauer in der Altstadt und auf dem dazugehörigen Schlossberg auf eineinhalb Stunden beschränkt ist, mussten die Beisitzer den Richter im 90-Minuten-Takt um eine kurze Unterbrechung der Verhandlung bitten. Die Anträge der etwas anderen Art waren den Betroffenen sichtlich unangenehm. Erinnerte die Situation doch ein bisschen an längst vergangene Schulzeiten, in denen man den Lehrer vor versammelter Mannschaft um Erlaubnis bitten musste, kurz das stille Örtchen aufsuchen zu dürfen.

Ja, die Parksituation in der malerischen Altstadt erstickt die Romantik geradezu. Zwar sind auf dem Altstadtberg jede Menge freier Parkplätze vorhanden. Der Zwang jedoch, die Stellplätze nach maximal eineinhalb Stunden räumen zu müssen, geht gehörig auf die Nerven. Nach Ablauf der Frist, so halten es viele, wird das Auto gerade mal auf den benachbarten Parkplatz versetzt. Das kostet Zeit, Benzin und ist schädlich für die Umwelt. Während sich der Lehrer - was das stille Örtchen betrifft - damals meist einsichtig zeigte, sollte man bei den Dachauer Parkhexen, wie sie im Volksmund bezeichnet werden, übrigens nicht auf Gnade plädieren.

Blau uniformiert und mit elektronischen Handcomputern ausgestattet, sind sie nahezu omnipräsent. Ohne Rücksicht auf die Nöte des Alltags gehen sie gnadenlos und pflichtbewusst, ja fast schon inquisitorisch gegen jeden vor, der die Parkgesetze der Stadt missachtet. Manch einer will sogar schon beobachtet haben, wie die Hüter der Parkplätze mit Kreide den exakten Standpunkt des Autos markiert haben, um später ein Knöllchen verteilen zu können. Die Verwarnungsgelder von bis zu 20 Euro müssen binnen einer Woche bezahlt werden. Und ehe man sich versieht, ist es auch schon wieder soweit: Oh nein, die Parkuhr!

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Quelle:
SZ vom 30.11.2015
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