Mitten in Dachau:Gretchenfrage an den Rathauschef

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Stadträte wollen wissen, wie OB Florian Hartmann mit Söders umstittenem "Kreuzerlass" umzugehen gedenkt

Kolumne von Viktoria Großmann

In Bayern hat im März eine neue Zeitrechnung begonnen. Das bayerische Glaubensbekenntnis lautet seither: "Der Mensch denkt, Söder lenkt." In dieses Schicksal mögen sich - im Vertrauen auf noch größere Mächte - Mathematiklehrerinnen und Dachdecker fügen, niemals aber Juristen, die es gewohnt sind, mit ihrem Intellekt die Welt zu durchdringen, denen nichts Menschliches fremd und alles Überweltliche suspekt ist; die jederzeit bereit sind, mit ihrer Waffe, die aus einer eigens erfundenen Sprache besteht, die außer ihnen keiner versteht, die demokratische Grundordnung und das Recht und seine Regeln an sich zu verteidigen. Logisch, wer erklärt nicht gern den Nutzen der eigenen Berufsgruppe.

Gott sei Dank, möchte man hier aus ganzem Herzen sagen, sind nun auch in Dachau zwei Ritter und Rächer auf den Artikeln von Verfassung und Grundgesetz zum Rathaus geritten, um in einer seltenen Allianz zweier Parteien die freistaatliche Glaubens- und Gewissensfreiheit zu retten. Ein Kreuz im Eingangsbereich des Rathauses der Großen Kreisstadt Dachau? Niemals! Mit wehender roter und gelber Fahne zitieren Sören Schneider (SPD) und Jürgen Seidl (FDP): "Es besteht keine Staatskirche." Was Kommunalpolitikern nämlich wie so häufig klarer ist, als denen auf höheren Ebenen: Die Welt ist nicht so einfach, wie sie in Land- und Bundestag gern geredet wird. Sie ist, zum Glück, viel bunter. Es geht den Stadträten gegen den Strich, dass durch so ein Kreuz - laut Staatsregierung "einem Symbol der sogenannten christlich-abendländischen Prägung" - Bürger anderer Prägung auf Distanz gehalten würden.

Sie möchten nun gern von der Stadt Dachau wissen, wie sie sich zu diesem viel diskutierten Erlass aus der himmlischen Staatskanzlei verhalten möchte. Wahrscheinlich im Sinne der Fragesteller. Schließlich sitzt im Oberbürgermeisterbüro nicht nur ein pragmatischer Roter, sondern die Stadt ist auch Mitglied im Verein "Runder Tisch gegen Rassismus", der sich ausdrücklich für Gleichberechtigung einsetzt. Notfalls vielleicht sogar für ungetaufte Zuwanderer aus Sachsen-Anhalt. Oder für Franken. Was hat nun eigentlich Markus Söder studiert? Ach so, Kirchenrecht.

© SZ vom 09.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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