Süddeutsche Zeitung

Mitten in Dachau:Fahrerflucht an der Bushaltestelle

Wer sich als Pendler auf den öffentlichen Nahverkehr verlässt, braucht viel Zeit. Gelassen bleiben dabei nur Rentnerinnen. Wer es eilig hat, geht lieber zu Fuß

Kolumne von Thomas Radlmaier

Der schlechteste Witz des Universums, den sich nur der unlustigste und einfältigste Mensch des ganzen Sonnensystems ausgedacht haben kann, geht so: Ein Bus voller Idioten fährt auf der Autobahn. Plötzlich geht der Bus kaputt, der Busfahrer steigt aus und sucht nach der Ursache. Einer der Idioten sagt zum Busfahrer: "Hey Busfahrer, hey Busfahrer, ich weiß, was kaputt ist." Der Busfahrer winkt ab und sucht weiter. Wieder der Idiot: "Hey Busfahrer, hey Busfahrer. Ich weiß, was kaputt ist." Der Busfahrer ist genervt und fragt: "Was ist denn kaputt?" Der Idiot hebt den Zeigefinger und sagt: "Der Bus ist kaputt."

Dieser Witz ist ungefähr so witzig wie eine Beerdigung. Aber letztens, als man frühmorgens mit dem Bus vom Bahnhof in die Altstadt fahren wollte, fiel er einem wieder ein. Als Pendler ist man ja im Dauerstress. Also hetzte man von der S-Bahn zum Busbahnhof und musste beobachten, wie der 719er gerade davonfuhr. Ausgerechnet, dachte man und wollte schon die Faust zum Himmel strecken, als man freudig sah, dass der nächste Citybus dieser Linie schon bereitstand. Darin hatten zwei ältere Frauen Platz genommen, die sich darüber unterhielten, dass die Tochter der einen mit deren Mann so einen guten Fang gemacht habe. Schließlich koche der Schwiegersohn immer für ihre Tochter, sagte die eine Frau, während die andere anerkennend nickte und erwiderte, dass das heutzutage ja alles andere als selbstverständlich sei.

Dann stürmte ein Busfahrer in den Bus und fragte die Fahrgäste erschrocken, ob sie es denn nicht gehört hätten. Was denn? Ob ihnen nicht sein Kollege gesagt hätte, dass dieser Bus kaputt sei und sie den anderen hätten nehmen müssen, der gerade davon gefahren sei. Die Fahrgäste schüttelten die Köpfe. Der Busfahrer ärgerte sich über seinen Kollegen. "Ich entschuldige mich vielmals für den Busfahrer", sagte er und bat alle, auszusteigen. Der nächste Bus komme in weniger als zehn Minuten. Die Frauen winkten ab. "Wir haben Zeit. Wir sind schließlich Rentnerinnen", sagten sie und lachten. Hahaha. Der Autor dachte, dass sei ein schlechter Scherz und ging zu Fuß.

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Quelle:
SZ vom 05.07.2019
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